Nordsee-Anrainer stellen Forderungen an die Bundesregierung
Ineffektive Strukturen der Gefahrenabwehr auf See, nicht durchdachte Verkehrsregeln zwischen Offshore-Windparks, zu viel Müll in den Meeren: Deutliche Kritik am Koalitionsvertrag auf Bundesebene übte die Mitgliederversammlung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN).
»Wir haben unsere Diskussion in einer Stellungnahme an die Bundeskanzlerin und die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen zusammengefasst«, erklärt der frisch wiedergewählte Vorsitzende des kommunalen Dachverbandes für den Schutz der Nordsee, Dieter Harrsen.
So fordert die SDN die Zusammenfassung aller seegehenden Überwachungskräfte in einer Deutschen Küstenwache: Rund 15 verschiedene Behörden nehmen mit eigenen Schiffen Aufgaben in der Nordsee wahr. An dieser Struktur ändere auch das Havariekommando nichts. Sie sei nicht geeignet, die Kontrolle und Überwachung des Seeverkehrs zu verbessern, Havarien zu verhindern sowie terroristische Angriffe unter Führung eines eingespielten Teams erfolgreich abzuwehren, betont Harrsen.
Sorgen bereitet den Umweltschützern auch die Sicherheit in der Deutschen Bucht: Aufgrund der Offshore-Windparks muss der Schiffsverkehr in dem weltweit am stärksten befahrenen Meeresgebiet in schmalen Vorrangflächen konzentriert werden. Daraus ergäben sich zusätzliche Gefährdungen. »Wir brauchen größere Vorrangflächen, mehr Abstand zu den Windkraftanlagen und eindeutige Fahrregeln mit Autobahncharakter. Die übliche Rechts-vor-links-Regel wird absehbar zu Unfällen führen«, ist Dieter Harrsen sicher.
Trotz zahlreicher Verbote gelangen noch immer zu viele Abfälle in die See – mit verheerenden Folgen für die Ökosysteme. Gründe sind nach Ansicht der SDN-Fachleute die mangelhafte Überwachung der Schiffe und die meist kostenpflichtige Entsorgung in den Häfen. Die Küstenländer müssten dafür sorgen, dass die Entsorgungsgebühren überall vollständig in die Liegegebühren integriert werden.
Doch die EU-Kommission hat den Entwurf einer Hafenverordnung auf den Weg gebracht, die das genaue Gegenteil vorsieht: Alle Hafengebühren sollen so genau wie möglich aufgeschlüsselt werden und die wirkliche Nutzung widerspiegeln. Das sei kontraproduktiv, verursache Aufwand und koste mehr Geld, ohne der Umwelt zu nützen, kritisiert die SDN.
Ein weiteres Augenmerk gilt der Nachwuchssicherung des nautischen Personals im öffentlichen Bereich, der Finanzierung der Ausbaukosten für den Nord-Ostsee-Kanal und der Qualität der Lotsendienste, die durch Privatisierungsbestrebungen der EU-Kommission gefährdet würden.
Neben der inhaltlichen Diskussion standen Wahlen auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung: Zum Vorstand gehören jetzt drei Landräte (Dieter Harrsen, Nordfriesland, Sven Ambrosy, Friesland, Dr. Jörn Klimant, Dithmarschen), ein Bürgermeister (Gerd-Christian Wagner, Varel) sowie Fachleute aus den Bereichen Planung und Umwelt (Rudolf-Eugen Kelch, Husum, und Jörg-Peter Frerichs, Varel), Wasserwirtschaft (Marcus Rudolph, Cuxhaven), Recht (Manfred Hoffmann, Varel) und Küstenschutz (Karl Petersen, Tönning). Vervollständigt wird das Gremium durch den Vorsitzenden des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, Kapitän Uwe Jepsen, und den Vorsitzenden der Insel- und Halligkonferenz, Manfred Uekermann.
»Damit steht wieder ein dynamisches und höchst kompetentes Team an der Spitze der SDN«, freut sich der Vorsitzende. Angesichts der zum Teil erschreckenden Sorglosigkeit von Politikern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene in Bezug auf den Nordseeschutz warte noch viel Arbeit auf die SDN als Lobbyorganisation der Küstenbewohner.
Nach der Mitgliederversammlung bat die SDN zur Feier eines doppelten Jubiläums: Der Verband selbst besteht seit 40 Jahren, das von ihm mit zwei Partnern betriebene Nationalpark-Haus in Varel-Dangast seit 25 Jahren. Die Festrede hielt der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel.
Text als PDF-Datei: PM 14-05-14 Nordsee-Anrainer stellen Forderungen an die Bundesregierung