Sperrung von Meeresschutzgebieten fachlich nicht zu rechtfertigen

Widersprüchliches Vorgehen der Regierung / Ziele nicht hinreichend konkret und nachvollziehbar

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) spricht sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung aus, in vier Meeresnaturschutzgebieten umfangreiche Fangbeschränkungen für die Berufsfischerei zu erlassen. Alle vier liegen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ); sie heißen »Sylter Außenriff«, »Borkum Riffgrund«, »Doggerbank« sowie »Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht«. Die SDN kritisiert das teils widersprüchliche Vorgehen der Regierung und fehlende Basisdaten aus der Fischerei.

»Die zunehmenden Einschränkungen bedrohen in besonderer Weise die Familienbetriebe mit ihren kleinen Kuttern«, stellt der Vorsitzende der SDN fest, Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen. Dies habe bei den Fischern erhebliche Unruhe ausgelöst. Sie könnten die Beschneidung der Fanggebiete, neue Berichtspflichten, einen hohen Kontrollaufwand und die Konkurrenz durch industriemäßige Fischer kaum noch verkraften. »Aber wenn sie aufgeben, rücken Großbetriebe nach, die wesentlich intensiver fischen und enorme Schäden in der Natur anrichten können«, fürchtet Harrsen.

Die SDN erinnert daran, dass die Fischerei an der deutschen Küste eine jahrhundertealte Tradition hat. Diese milde Art der Nutzung habe selbst in den Nationalparken so geringe Störungen verursacht, dass der ökologische Wert der Fanggebiete vor rund 15 Jahren die Anmeldung als Natura2000-Gebiete rechtfertigte. Natura 2000 ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. »Wir gingen davon aus, dass die ordnungsgemäßen Nutzungen zum Zeitpunkt der Gebietsanmeldung auch weiterhin Bestandsschutz genießen«, betont der stellvertretende Vorsitzende der SDN, Bürgermeister Gerd-Christian Wagner aus Varel. Diese Haltung sei im Jahr 2011 auch von der Fischereiministerkonferenz der norddeutschen Länder vertreten worden.

Nun aber soll ganzjährig fast ein Drittel der AWZ für grundberührende mobile Fischereiverfahren und Stellnetze gesperrt werden. Andere Flächen sind für Windfarmen, Sandentnahmen, die Verklappung von Hafenschlick oder militärische Zwecke vorgesehen. »Dadurch bleiben für die Fischerei kaum noch Flächen übrig – und diese kleinen Gebiete werden bald völlig überfischt sein, weil alle Kutter sich dort ballen werden«, warnen Harrsen und Wagner. Eine Nachbesserung der Pläne mit einer Abschätzung der Folgen für die Natur, die Fischereibetriebe und auch den Tourismus sei dringend geboten – denn was wären die Nordseehäfen ohne Fischkutter?

Harrsen fordert darüber hinaus, die Beurteilung des ökologischen Zustandes der Nordsee an wissenschaftlich nachvollziehbaren Parametern auszurichten: »Die für die Bundesregierung tätigen Biologen behaupten einfach, die Nordsee sei in schlechtem Zustand. Aber den Beweis bleiben sie schuldig. Das ist doch keine ausreichende Grundlage für ein Fischereiverbot!«

Der Niedersachse Wagner schlägt in die gleiche Kerbe: »Vor Erlass eines Nutzungsverbotes muss nachgewiesen sein, dass die derzeitige Nutzung ursächlich, erheblich und relevant für die Veränderung der biologischen und physikalischen Eigenschaften, also für den schlechten Zustand der Habitate ist.« Auch aus seiner Sicht seien die Ziele des Maßnahmenplanes nicht hinreichend konkret und nachvollziehbar definiert worden.

Mit Sorge sieht die SDN daneben die Verschärfung des Kontrollaufwandes. Kein Berufszweig in Deutschland werde so unter Generalverdacht gestellt wie die Fischerei. Das sei eine extrem schlechte Basis für die Zusammenarbeit. »Zumindest sollte der Bund dafür sorgen, dass der Kontrollaufwand europaweit harmonisiert wird, damit die deutschen Fischer nicht stärker benachteiligt werden als die anderen«, fordert Wagner.

Der Nautische Verein Nordfriesland – ein Mitgliedsverband der SDN – fordert ebenfalls ein Aussetzen des Verbots der Freizeitfischerei in den Naturschutzgebieten, bis hinreichende Erkenntnisse vorliegen, um danach zu entscheiden. »Ein vorsorgliches Verbot ohne solche Erkenntnisse widerspricht den Anforderungen für Gesetzesnormen«, sagte Gerd Seier, Vorsitzender des Vereins, in Husum.

Auch die Managementmaßnahmen für die Berufsfischerei bewertet er kritisch. Großflächige Sperrungen, in denen der Fischfang teilweise oder ganz verboten werden soll, seien der falsche Weg. Denn Windkraft-Cluster, Naturschutzgebiete und weitere gesperrte Räume würden letztlich riesige Gebiete ergeben, in denen Fischfang nicht stattfinden darf. Hier käme es dann zu einem Verdrängungswettbeerb auf den dann noch vorhanden Flächen für die Fischerei. Lediglich die Naturschutzgebiete zu betrachten, sei eine falsche Sicht der Dinge, die Gebiete müssten kumulativ gesehen werden.

Seier stellt fest, dass seit langem erkannt wird, dass der Natur nicht mehr entnommen werden dürfe, als nachwächst. »Nachhaltigkeit sei das Gebot«, das gewährleisten bereits Fangquoten, Mindestmaße und Maschengrößen als Ressourcenschonung. Weitere Gebietssperrungen in der vorgesehenen Größe sind nicht erforderlich. Das Verbot der Berufsfischerei solle daher ausgesetzt werden, bis genaue Kenntnisse über die durch Fischfang verursachten unnötigen Umweltschäden vorliegen und Fanggeräte eingesetzt werden können, die die Umwelt weniger belasten.

Dieser Text im PDF-Format: PM 16-03-25 Sperrung von Meeresschutzgebieten fachlich nicht zu rechtfertigen

 

Breites Themenspektrum bei der Mitgliederversammlung der SDN

Kalilauge nicht in die Nordsee / Nationales Hafenkonzept gefordert

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Ein umfangreiches Programm hatten die Mitglieder der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) am 15. März 2016 auf ihrer Jahreshauptversammlung im Nationalpark-Haus der SDN in Varel i.O. abzuarbeiten. Vor den Wahlen des neuen Vorstandes wurden aktuelle Themen zum Nordseeschutz diskutiert.

Entwicklung des Jadeweserports

Der Landrat des Kreises Friesland, Sven Ambrosy, berichtete über die Zukunftsentwicklung des Jadeweserports (JWP) in Wilhelmshaven. Als einziger Tiefwasserhafen in Deutschland zeichnet sich der JWP durch kurze Revierfahrten und gute Anschlüsse für den weiteren Transport von Containern über die Autobahn und den Schienenweg aus. Anfangs habe der schwache Zustand der Weltwirtschaft die Entwicklung des Hafens etwas gebremst. Inzwischen jedoch hätten zwei große Reedereien verstärkt Abfahrten Richtung Asien und Südamerika angekündigt.

Daneben seien die verschiedenen Wirtschaftsinteressen heute besser vernetzt, die Schifffahrt insgesamt sei sicherer geworden, und in dem Bereich von »Green Shipping« arbeite der Hafen mit den Fachhochschulen in Leer und Elsfleth zusammen, erklärte Ambrosy. Eine Machbarkeitsstudie habe bereits einen Erweiterungsbedarf festgestellt. Ambrosy forderte die weitere politische Unterstützung für den »vorzüglichen Seehafen«. Dazu sei ein nationales Hafenkonzept erforderlich, das diesen Namen auch verdiene.

Reviersprache englisch statt deutsch?

Uwe Jepsen, der Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, (BSHL) referierte über das Vorhaben des Hamburger Senats, in einem Probelauf das Englische als Reviersprache einzuführen. Dann dürften Lotsen, Kapitäne und sämtliche Leitstellen an Land über Funk nur noch auf Englisch miteinander sprechen – auch, wenn alle Beteiligten Deutsche seien. Der Verbandsvertreter zeigte sich skeptisch über diese »nicht ausreichend durchdachte« Vorgehensweise. Vor derartig weitreichenden Änderungen müssten sowohl viele deutsche als auch viele ausländische Schiffsführer ihre Englischkenntnisse erheblich verbessern. Eine einheitliche Sprache, so Jepsen, bedeute nicht von vornherein mehr Sicherheit. Er verwies auf verschiedene Vorfälle, bei denen Kommunikationsprobleme zu unsicheren Situation geführt haben. In den Niederlanden sei ein ähnlicher Versuch nach zwei Jahren sang- und klanglos eingestellt worden. Jepsen appellierte, die vor Ort Beteiligten einzubinden, damit es nicht zu Entscheidungen seitens der Verwaltung käme, die anschließend bitter bereut werden könnten.

Deutsche Küstenwache

Dass auch das Thema »Deutsche Küstenwache« auf der Tagesordnung stand, war für viele selbstverständlich. Bereits seit 1990 fordert die SDN die Zusammenführung aller schwimmenden Verbände in Nord- und Ostsee in einer einheitlichen Führungsorganisation. Nach der Bundesebene sollen die Küstenländer mit ihren Wasserschutzpolizeien als gleichberechtigte Partner eingegliedert werden. Das bereits bestehende Havariekommando soll als ein wichtiger Baustein in dieser Führungsorganisation eng eingebunden sein. Hans von Wecheln, Leiter der Arbeitsgruppe »Küstenwache« der SDN, erläuterte , man werde in nächster Zeit in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nautischen Vereinen bei den Bundestagsabgeordneten der norddeutschen Küstenländer verstärkt für diese neue Organisationsform werben. Es gelte zu verdeutlichen, dass »Safety« und »Security«, also die Sicherheit an Bord ebenso wie die Sicherheit auf den Seeverkehrswegen, in einem einheitlichen Küstenwachsystem organisiert werden müssten. Hierzu sei es erforderlich, nicht nur das Verkehrsministerium, sondern auch die anderen Bundesbehörden einzubinden.

Beseitigung aufgefischten Mülls

SDN-Vorstandsmitglied Rudolf -Eugen Kelch informierte die Mitglieder über das Projekt »Fishing for Litter«: Während die niedersächsischen Häfen und die Häfen entlang der Ostseeküste den von Fischern gesammelten Müll aus der Nordsee kostenlos annehmen und entsorgen, werden nun auch verstärkt an der Westküste Schleswig-Holsteins neue Partner für dieses Projekt gewonnen. In Husum sei auf Initiative der SDN eine neue Sammelstelle eingerichtet worden, weitere Häfen würden folgen.

Einleitung von Kalilauge in den Jadebusen

Kelch berichtete ebenfalls von der geplanten Einleitung von Kalilauge in den Jadebusen. Derzeit verfolge die Firma Kali & Salz, die in Hessen und Thüringen Kalibergwerke betreibt, dieses Projekt allerdings nicht weiter. Es gebe Anzeichen für die Entwicklung eines »Masterplan Salzreduzierung« bis Ende 2027, der die Salzbelastung in der Weser schrittweise reduziert werden, ebenso wie die Möglichkeit der Verlagerung der Produktion. Unabhängig davon werde die SDN ein waches Auge auf die Entwicklung haben, da die Einleitung in den Jadebusen und die weitere Verteilung in der Nordsee nicht zu einem zeitgemäßen Abfall-Wirtschaftskonzept passe. Die SDN hatte dazu auch eine Publikation veröffentlicht, die die Problematik erläutert.

Verzahnung touristischer Angebote in Varel

Der Leiter des Nationalparkhauses der SDN, Lars Klein, berichtete anschließend über die Vernetzung der touristischen Nationalparkangebote in Varel. Hier bestehe eine gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt Varel und den örtlichen Tourismusorganisationen. Man habe in dem neuen Weltnaturerbe-Portal direkt am Deich in Dangast ein Informationszentrum mit Angeboten zum Nationalpark und Weltnaturerbe eingerichtet.

Wahl des Vorstandes

Nach weiteren Regularien wurden die Neuwahlen des Vorstandes und des geschäftsführenden Vorstandes durchgeführt. Einstimmig wählten die anwesenden Mitglieder den nordfriesischen Landrat Dieter Harrsen erneut zum ersten Vorsitzer der SDN. Der Bürgermeister der Stadt Varel, Gerd-Christian Wagner, sowie Schatzmeister Manfred Hoffmann und Schriftführer Hans-Martin Slopianka wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Im erweiterten Vorstand gab es Neuerungen. Der Bürgermeister der Stadt Norderney, Frank Ulrichs, sowie der Vorsitzende des Nautischen Vereins Nordfriesland, Gerd Seier, sind nun im Vorstand vertreten. Wiedergewählt wurden die Landräte Sven Ambrosy (Friesland) und Jörn Klimant (Dithmarschen), Jörg-Peter Frerichs (ehemaliger Leiter des Planungs- und Umweltamtes der Stadt Varel), Uwe Jepsen (BSHL), Karl Petersen (Fachmann für Küstenschutztechnik), Marcus Rudolph (Fachgebietsleiter Wasserwirtschaft, Landkreis Cuxhaven) und Manfred Uekermann (Vorsitzender der Insel und Halligkonferenz).

Der ehemalige Leiter des Umweltamtes des Kreises Nordfriesland, Rudolf-Eugen Kelch, verzichtete aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur. Kelch war bereits seit 1984 im Vorstand der SDN vertreten und hatte den kommunalen Dachverband von 1998 bis 2010 als Vorsitzer geführt. Aufgrund seines umfangreichen Wissens und seiner ausgleichenden Art war er ein beliebter und respektierter Gesprächspartner für Behörden und Verwaltungen, betonte Dieter Harrsen. Da er Naturschutz, Landschaftsschutz, Raumordnung sowie Landschaftsplanung studiert habe, seien die fachlichen Stellungnahmen, die er für die SDN verfasste, stets von einem fundierten Wissen und klaren Analysen gekennzeichnet gewesen. Harrsen dankte Kelch für seine stete Bereitschaft, die Ziele der SDN konsequent umzusetzen, und dafür, dem Verband in der Politik und Verwaltung durch sein Fachwissen einen hohen Stellenwert erarbeitet zu haben.

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung wurde im Nationalpark-Haus eine Ausstellung mit dem Thema »damit eine Havarie nicht zur Katastrophe wird« eröffnet. Der Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees, erläuterte in seiner Festrede die Aufgaben und Ziele des Kommandos. Fotos und Exponate zeigen die verschiedenen Bekämpfungsmittel bei Havarien und stießen bei den Besuchern auf großes Interesse.

Dieser Text im PDF-Format: PM 16-03-22 Breites Themenspektrum bei der Mitgliederversammlung der SDN