Industriegebiet Nordsee – Ein neues Jahr mit neuen Chancen für den Lebensraum
Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) mahnt dringend zu einem Ende der Ignoranz möglicher Folgen einer weiteren Industriealisierung der Nordsee
Deutsche Nordsee. „Es ist für den Lebensraum Nordsee höchste Zeit, wirklich in Sachen Folgen menschlichen Handelns umzudenken!“, mahnt der SDN-Vorsitzende, Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, an die politische und wirtschaftliche Vernunft. „Es ist dringend nötig jetzt sofort und nicht erst morgen oder übermorgen nach einer Katastrophe zu handeln!“ Vielmehr müssten ab sofort mögliche Auswirkungen auf die Umwelt immer mit bedacht und ernsthaft einbezogen werden. „Stattdessen wird die Nordsee, neben der umfangreichen Schifffahrt, auch noch mit Gas- wie Ölförderung, Kies- und Sandabbau, Gammel-Fischerei, Baggergut-Verklappung, CO2-Speicherung sowie Kabel- nebst Röhrenverlegungen und Startmöglichkeiten für Weltraumraketen nebst riesigen Windparks weiter zugestellt.“ Vielmehr gelte es, fordert der SDN-Vorsitzende insbesondere die sich neu zu bildende Bundesregierung auf, klügere Lösungswege als bisher für die Zukunft zu suchen.
Havarie in der Nordsee
„Und zu allem Überfluss gefährdet dieser Ausbauwahn zunehmend auch noch die Sicherheit der Schifffahrt und damit die Meeresumwelt mit ihren Bewohnern“, erklärt Kapitän und Seelotse Ulrich Birstein, zweiter SDN-Vorsitzender. So gelte es zum Beispiel zu bedenken, dass die Havarie des auf den Weg nach Ägypten befindlichen Öltankers EVENTIN vor Rügen dieser Tage nur gut einen Tag später hätte mitten in der Nordsee stattfinden können – und das bei dem aufkommend schlechten Wetter und ohne felsigem Schutz vor den starken Winden. „Irgendwann sind auch die hilfreichen Möglichkeiten des Havariekommandos ausgeschöpft!“ Und das ganz besonders in Anbetracht des möglichen Flächenverbrauchs der geplanten Offshore-Windparks, durch den der Verkehrsraum für Schiffe wie den Öltanker EVENTIN oder den Mega-Container-Frachtern, mit ihren riesigen Segelflächen, extrem eingeengt würde. Von daher gelte es ganzheitliche Betrachtungen der möglichen Belastungen zu tätigen und Lösungen zu suchen, mit denen dieses immer weiter wachsende Gefährdungspotential zumindest reduziert werden könne.
Notwendigkeiten
„Das Problem ist einfach“, gibt der SDN-Vorsitzende zu bedenken, „eine einzige folgenschwere Havarie kann ausreichen, die Nordsee mit ihrem Wattenmeer sowie die Ästuare von Elbe und Weser als Lebensraum für Menschen und Tiere zu zerstören.“ So müsse an jedem Havariepunkt mindestens ein Not-Schlepper mit einem Mindestpfahlzug von 130 t und einer Stunde Reaktionszeit als Risikominderung bereit liegen, für den die zuständigen Behörden im Bedarfsfall eine Weisungsbefugnis und ein Zugriffsrecht besitzen. Und zudem müsse für die gesamte südliche Nordsee eine lückenlose sowie ausfallsichere Seeraumüberwachung gewährleistet sein. „Unsere Devise muss lauten: aus Fehlern der Vergangenheit wirklich zu lernen und fortan präventiv zu handeln. Denn der Lebensraum Nordsee darf nicht noch mehr zu einer Industriebrache verkommen“, sind sich beide Vorsitzende einig.
SDN-Forderungen
– Umweltschonendes Überdenken der Ausbau- und Nutzungsziele; insbesondere im Zusammenhang mit Offshore-Wind.
– Die Sicherheit der Schifffahrt muss Priorität haben.
– Prävention zur Unfallvermeidung und -bekämpfung statt erzwungene Reaktion bei einer Havarie.
– Einsatzortsnahe Stationierung von Notschleppern passender Größe/Leistungsfähigkeit.
– Kostenübernahme für ortsnahe Notschlepper und Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffe; auch durch Windpark-Betreiber.
– Praktische Klärung der Einsatzmöglichkeit von Schleppern und Hilfsschiffen innerhalb Windparks.
– Anschaffung technischer Hilfs-Ausrüstung nach Effektivitäts-Kriterien.
– Möglichst nahe und dauerhafte Stationierung von Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffen.
– Mehr und größere Klappschiffe zur Ölräumung auf See.
– Möglichst frühe Öl- und Müll-Räumung abseits von Inseln, Watt und Küste.
– Klare Zuständigkeitsregelung auf Behördenseite / insbesondere in der AWZ.
– Frühzeitige Einbeziehung der Küstenlandkreise als regionale Katastrophenschutz-Behörden.
– Ausweitung des bestehenden Lotswesens auf die AWZ.
– Havarievermeidung vor Havariemanagement!
Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,
SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.
– Pressestelle –
Peter Andryszak
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Zusatz-Info:
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)
ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 aufgrund umfassender Verschmutzungen der Nordsee ins Leben gerufen wurde. Seitdem engagiert sich die Schutzgemeinschaft sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr in die Öffentlichkeit sowie die Ministerialverwaltungen und Parlamente des Bundes und der vier Nordsee-Küsten-Länder. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.
Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-, und Klärschlammverklappung, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV sowie die Anschaffung moderner Notschlepper für Nord- und Ostsee, wie aktuell auch der Unterelbe. www.sdn-web.de