„Augen zu und durch – wird schon gut gehen!“

Die nächste Schiffs-Havarie steht schon vor der Tür

Deutsche Nordseeküste. „Quo vadis Nordsee? – Wir leben in einer Zeit voller Veränderungen, die uns zwingt, mit unseren Schutzgütern sorgsam umzugehenweil sie in unseren Händen liegen“, resümiert Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN). Der wohl unumkehrbare Weg, die Nordsee zu einem „Industriepark regenerative Energien“ mit dicht befahrenen Wasserstraßen und als Abfalldeponie umzuformen, müsse auch bedenken, die damit verbundenen Risiken für die Natur zu minimieren. „Unsere Devise muss lauten: Aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.“ Jetzt brauche es ein Monitoring, um das Projekt “sichere Nordsee für Mensch und Natur“ Wirklichkeit werden zu lassen“, so Wagner weiter. „Das Schutzschild „überragendes öffentliches Interesse“ sollte uns nicht blind machen. Wir müssen mit wachen Augen unsere Lebensräume beachten.“ Die Natur verzeihe menschliche Fehler nicht. „Da wir es nicht dazu kommen lassen dürfen, ist es unumgänglich, parallel zum Ausbau eine Folgenbegleitung und -beseitigung zu implementieren.“ Unsere Gesellschaft müsse zukünftig einfach ehrlich mit ihren Eingriffen in die Umwelt umgehen. „Schutz und Bewahrung der Lebensräume und ihrer Bewohner dürfen nicht ins Hintertreffen geraten“, appeliert der SDN-Vorsitzende.„Insbesondere müssen wir uns, besonders in Anbetracht der kontinuierlich steigenden Zahl von Offshore-Windparks und dem damit einher gehend zunehmendem Risiko von Havarien, für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt einsetzen,“ betont Ulrich Birstein, zweiter Vorsitzender der Schutzgemeinschaft. „Und zudem, ebenso in Verbindung mit dem Ausbau der Offshore-Windkraft, braucht es verstärkten Schutz für die Bewahrung des natürlichen Wattenmeers.“ Der Strom, der auf See produziert würde, müsse ja nun an Land gebracht werden. Der dafür erforderliche Verlege- und Wartungsaufwand produziere aber unterschiedliche Emissionen und verbrauche viel Fläche. „Und zu allem Überfluss vergrößern wir die Gefahr für Schiffshavarien, indem wir die Schifffahrtswege auf See immer weiter einengen und uns zudem immer weniger Möglichkeiten lassen, die negativen Folgen im Schadensfall zu reduzieren.“

Um sich zu dieser steigenden Bedrohung ein genaueres Bild machen zu können, hat die SDN eine Arbeitsgruppe von Fachleuten unterschiedlicher Genres initiiert, die das Scenario einer realitätsnahen Schiffshaverie mit einem Offshore-Windpark entwickelte. Eindeutiges Ergebnis dieser Studie: die Glückssträhne, die die Nordseeküste bisher bei den meisten Havarien bis hin zum Brand der FREMANTLE HIGHWAY hatte, wäre Vergangenheit. „Die Windparks haben nun einmal keinen flachen weichen Grund wie eine Sandbank, auf den sich der Schiffsrumpf sicher ablegen könnte.“ Vielmehr gebe es in ihnen dickwandige Stahltürme, die ohne weiteres Schiffsrümpfe und -tanks beschädigen, sogar aufreißen könnten. Ganz zu schweigen von einer kaum möglichen Bergungschance bei schwerem Wetter. Und bei Ladungs- und Ölverlust potenzieren sich die lebensfeindlichen Havariefolgen ins Unberechenbare. „Wir müssen wohl damit leben, das die Nordsee – und nicht nur der deutsche Teil – immer weiter zugebaut werden wird.“ Das zunehmende Engagement großer Investoren beruhige dabei, mit Blick auf den Umweltschutz, nicht. „Egal, was Havariegutachten an Wahrscheinlichkeiten vorgeben, die nächste Havarie kann immer schon morgen sein“, befürchtet Birstein. „Und gerade bei den Riesenschiffen könnte eines von ihnen schon für eine nicht zu bewältigende Katastrophe reichen!“

Um die Wahrscheinlichkeit einer solchen Havarie und deren Folgen wenigstens zu minimieren, erwartet die SDN von den verantwortlichen Entscheidern wie auch von den Windpark-Betreibern:

– Prävention zur Unfallvermeidung und -bekämpfung statt erzwungene Reaktion im Falle eines Unfalls.

– Umweltschonendes Überdenken der Ausbauziele; insbesondere im Zusammenhang mit Offshore-Wind.

– Best mögliche Technik und personale Qualifikation für Unfallvermeidung und -bekämpfung.

– Intensive Förderung entsprechender Forschung.

– Anschaffungs- und Betriebskosten in Priorität „Zukunftswirkung natürliche Umwelt“ setzen.

– Mehr und größere Klappschiffe zur Ölräumung auf See.

– Möglichst nahe und dauerhafte Stationierung von Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffen an denkbare Einsatzorte.

– Ortsnahe Stationierung von ausreichend Notschleppern der Aufgabe passender Größe/Leistungsfähigkeit.

– Kostenübernahme für ortsnahe Notschlepper und Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffe; auch durch Windpark-Betreiber.

– Praktische Klärung der Einsatzmöglichkeit von Schleppern und Hilfsschiffen innerhalb von Windparks.

– Möglichst frühe Öl- und Müll-Räumung abseits von Inseln, Watt und Küste.

– Anschaffung technischer Hilfs-Ausrüstung ausschließlich nach Effektivitäts-Kriterien.

– Frühzeitige Einbeziehung der Küstenlandkreise als regional zuständige Katastrophenschutz-Behörden.

– Klare Zuständigkeitsregelung auf Behördenseite / insbesondere in der AWZ.

– Einheitliche Koordination aller technischen und personalen Hilfskräfte.

– Die Nordsee darf nicht zu einer Industriebrache verkommen.

Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,

SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.

– Pressestelle –

Peter Andryszak

pressestelle@sdn-web.de

0172-4363439

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Zusatz-Info:

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)

ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 aufgrund umfassender Verschmutzungen der Nordsee ins Leben gerufen wurde. Seitdem engagiert sich die Schutzgemeinschaft sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr in die Öffentlichkeit sowie die Ministerialverwaltungen und Parlamente des Bundes und der vier Nordsee-Küsten-Länder. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.

Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-, und Klärschlammverklappung, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV sowie die Anschaffung moderner Notschlepper für Nord- und Ostsee, wie aktuell auch der Unterelbe.

Die SDN ist Mitglied der KIMO International: http://www.kimointernational.org

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