»Kritische Anlagen« auf See erfordern präventiven Schutz

Vorschläge bisher nicht berücksichtigt / Nordseeschützer wollen Küstenwache

Husum/Cuxhaven/Varel i.O) Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) wendet sich erneut an die Bundes-und Landtagsabgeordneten der norddeutschen Küstenländer und fordert sie auf, sich dem Thema einer Deutschen Küstenwache nicht länger zu verschließen. Angesichts zunehmender Seetransporte und der großflächigen Industrialisierung von Nord- und Ostsee mit Offshore-Windfarmen ist es nach Meinung des Verbandes an der Zeit, die Sicherheitslage zu überdenken und der Realität anzupassen.

Der Ausbau der Offshore-Windkraftnutzung sei durch den neuen Energiekompromiss der Regierung nunmehr gesichert worden und werde aufgrund der Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren zu verstärkten Aktivitäten auf Hoher See führen. Bei diesen Anlagen, so der Vorsitzende der SDN, Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, handelt es sich um sogenannte »kritische Infrastrukturen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.« Für ihn sei es daher erstaunlich, dass die Industrie Milliarden investiere, ohne diese Investitionen durch ein umfassendes Sicherungskonzept gegen Ausfälle von außen zu schützen.

In Verbindung mit der Industrialisierung der Nordsee durch Energiegewinnung und der weiteren Zunahme der Schifffahrt nehme das Havarierisiko exponentiell zu, ohne dass die Bundesregierung oder Europa auf diese Gefahrenlage angemessen reagieren.

Die SDN sieht sich bestätigt in ihrer Auffassung durch einen Bericht des »SPIEGEL«, nach dem die Bundesregierung bis jetzt keinen speziellen Plan habe, wie die empfindlichen Übertragungsanlagen von Offshore-Windparks im Falle eines treibenden Schiffes oder möglichen terroristischen Angriffs gesichert werden könnten.

Derzeit sei geplant, in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) die Schiffe zwischen den Windfarmen auf mehr oder weniger enge Korridore zu konzentrieren, was die Wahrscheinlichkeit der Havarie Schiff/Schiff oder Schiff/Windenergieanlage bei Maschinen- oder Ruderausfall erhöhe, erläutert der Leiter des Arbeitskreises »Küstenwache« der SDN, Hans von Wecheln. Wie dramatisch die Entwicklung wird, werde in einer Studie des Maritimen Zentrums der Fachhochschule Flensburg nachgewiesen. Notwendige Havarie-vermeidende Maßnahmen seien daher die Festlegung von Kollisionsverhütungsregelungen in engen Fahrwassern und Verkehrstrennungsgebieten, die Einrichtung von Fahrstreifen für kleine Wasserfahrzeuge, die Vergrößerung des Sicherheitsabstandes Windfarm/Schiff auf fünf Seemeilen, die Einführung der Lotsenpflicht und die Verkehrsüberwachung der gesamten Fläche der AWZ. Diese Vorschläge habe die SDN den zuständigen Behörden schon häufiger unterbreitet. »Bisher ohne Erfolg«, so von Wecheln. Zur Havariebeherrschung gehöre, dass mindestens ein weiterer Sicherheitsschlepper in der Nordsee etwa auf Höhe Sylt stationiert werde.

Die begrüßenswerte Etablierung eines Havariekommandos reiche für diese umfassenden Aufgaben allein nicht aus, da es nicht in das Alltagsgeschäft eingebunden sei und erst bei bereits eingetretenen Havarien tätig werde.

Deshalb fordert die SDN seit 1990 die Einrichtung einer einheitlichen Küstenwache, in der die am Küstenschutz beteiligten Kräfte von Bund und Ländern zusammengefasst werden. Diese könnten die vielfältigen Aufgaben dann in einer einheitlichen Organisation präventiv mit wesentlich weniger »Schnittstellen« und mehr Kompetenzen bearbeiten.

Ohne Terrorängste schüren zu wollen, verweist von Wecheln auf die »vielfach unterschätzten Gefahren eines Terroranschlages von See her«. Die Rechnung, die er aufmacht, ist einfach: »Wenn Terroristen tödliche Sprengsätze in Flugzeuge schleusen können, dann ist dies auch auf Schiffen möglich.«

Die SDN fordert deshalb verstärkte Kontrollen der Schiffsladungen und klare einheitliche Zuständigkeiten bis hin zu der Frage, ob notfalls auch die Marine einbezogen werden kann – trotz der verfassungsrechtlichen Hürden. Das Havariekommando, das gemeinsame Lagezentrum »See« sowie das geplante Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven seien richtige Schritte auf dem Weg zu einer Küstenwache. An den Strukturen und Zuständigkeiten änderten diese Schritte jedoch nichts. Daher müsse es trotz aller Beharrungskräfte auf dem Weg zu einer monokratisch geführten Deutschen Küstenwache weitergehen.

Artikel als PDF-Datei: PM 15-07-06 Deutsche Küstenwache

Für das obige Foto eines Offshore-Windparks danken wir dem Fotografen und SDN-Mitglied Peter Andryszak (www.peterandry.de).

Abgasbehandlung von Schiffen weiterhin in der Kritik

Lösung in den Raffinerien und nicht an Bord / Abwässer verschlechtern Zustand der Meere

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Auch die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN hat sich nun in die Diskussion um den Einsatz von Abgasnachbehandlungsanlagen auf Seeschiffen, sogenannten „Scrubbern“, eingeschaltet. Der kommunale Umweltverband sieht – wie auch der Nabu kürzlich in Hamburg kritisierte – den Einsatz kritisch.

Als Alternative zu schwefelarmen Treibstoffen werden diese Anlagen in Schwefelemissionskontrollgebieten (SECAs) in Nord- und Ostsee auf Schiffen eingesetzt, damit der nur noch zulässige maximale Schwefelgehalt von 0,1 Prozent im Schwerölbetrieb erreicht wird. Damit will man den teureren, aber schadstoffärmeren Einsatz von Marinediesel oder Gas umgehen.

Bereits 2009 hatte die SDN in einer Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Einleitung schwefelhaltiger Abwässer, die bei der Reinigung der Abgase im Nassverfahren entstehen, zu einer Versauerung, Erwärmung und Belastung mit persistenten Schadstoffen der oberen Meeresschichten vor allem entlang der stark befahrenen Küsterouten führen wird. Ebenfalls bezweifelte der Verband damals, dass rechtzeitig zum Inkrafttreten im Januar 2015 ausreichend Scrubber zum Einbau zur Verfügung stünden. Auch seien nicht alle Schiffe nachrüstbar.

Die nun als Alternative zugelassen Scrubber, deren Wirkungsgrad die Emissionen auf das Maß reduziert, als würde das Schiff mit einem Treibstoff mit 0,1 Prozent Schwefelanteilen betrieben, könne man nur bei wenigen Ausnahmen akzeptieren. Denn der Wirkungsgrad der Scrubber sei während der Fahrt kaum kontrollierbar. Je nach Verfahren fallen in großen Mengen flüssige oder trockene Abfälle an. Auch hatte die SDN Zweifel an der dauerhaften Wirksamkeit emissionsmindernder Technologien auf den Schiffen. Zum einen erhöht sich dadurch der Überwachungsaufwand, zum anderen ist der Unterhaltungsaufwand hoch und die Gefahr der Vernachlässigung groß, und letztlich entstehen Reststoffe, die geordnet zu beseitigen sind und deren Beseitigung überwacht werden muss.

Was zuvor in die Luft geblasen wurde, wird jetzt, wenn auch chemisch verändert, direkt ins Meerwasser abgegeben, kritisiert der Verband. Die SDN hält die Lösung von Problemen an Bord von Schiffen ohnehin für die falsche Strategie. Besser sei es, die Reduzierung von Schadstoffen im Treibstoff in Raffinerien durchzuführen. Dort sei sie einfacher und leichter zu überwachen. Daher hatte der Verband sich in der Vergangenheit gegen emissionsmindernde Technologien auf dem Schiff und für emissionsarme Treibstoffe ausgesprochen. „Was nicht an Bord ist, kann auch nicht kaputt gehen“, so lautete einst der Satz eines bekannten Lübecker Reeders, der auch heute noch seine Gültigkeit hat, unterstreicht die SDN. Zwar begrüßt die SDN die Maßnahme der Schwefelreduzierung im Treibstoff und bezeichnet ihn als „einen großen Reduzierungsschritt“. Wünschenswert wäre allerdings, den Wert wie beim leichten Heizöl oder Dieselöl auf Null zu setzen.

Mittelfristiges Ziel sollte es sein, dass in Europäischen Gewässern als Schiffstreibstoffe nur MarineDiesel oder Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas – LNG) eingesetzt wird.

Artikel als PDF-Datei: PM_2015-03-16_Abgasbehandlung_von_Schiffen

Nordseepipeline für Kaliabwässer wäre ein Skandal

VAREL, 2. Dezember 2014

»Der Umgang mit den flüssigen Abfällen aus der hessischen Kaliproduktion erzeugt eine Umweltverschmutzung ersten Ranges. Das muss endlich aufhören«, fordert der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, Dieter Harrsen.

Seit Jahrzehnten leitet die in Kassel ansässige K+S Kali GmbH ihre im Kalibergbau entstehenden Abwässer in die Werra ein – ein Verfahren, das rechtlich gar nicht zulässig ist. Es verwandelt ein Gewässer, das eigentlich Süßwasser führen sollte, in eines mit hoher Salzkonzentration – mit enormen Schäden für Flora und Fauna. Von der Werra fließt die Salzlauge in die Weser und letztlich in die Nordsee, also in den Nationalpark Wattenmeer, der gleichzeitig UNESCO-Weltnaturerbe ist. Dieser Skandal dürfe rechtlich und sachlich nicht länger geduldet werden, erklärt Harrsen.

Die festen Abfälle des Kalibergbaus wiederum werden in Hessen zu gewaltigen Halden aufgetürmt, die nicht anderes als Mülldeponien sind. Seit Jahren muss jede Abfalldeponie in Deutschland abgedichtet sein, ihr Sickerwasser muss erfasst und gereinigt werden, Grund- und Oberflächengewässer dürfen nicht verschmutzt werden. Damit die Umwelt geschont wird, haben die Bürger hohe Abfallgebühren hinnehmen müssen.

Für die Kaliindustrie jedoch scheinen gesetzliche Vorgaben nicht zu gelten. »Seit Jahrzehnten wird diese Industrie zu Lasten der Umwelt von den Behörden mit Samthandschuhen angefasst. Salzlauge und belastete Sickerwässer verschmutzen Grund- und Fließgewässer. Und ein Ende dieses skandalösen Zustands ist nicht abzusehen«, stellt Dieter Harrsen fest.

Seit Jahren wird nun diskutiert, die Abwässer und Sickerwässer aus der Kaliindustrie über eine Pipeline direkt in die Nordsee einzuleiten. Zielort ist das empfindliche Ökosystem des Jadebusens, das letzte Buchtenwatt an der deutschen Nordseeküste, das ohnehin bereits die Belastungen der Abwässer der Stadt Wilhelmshaven und der Ausspülungen von Kavernen für die Speicherung von Gas und Öl hinnehmen muss.

Die Befürworter der Nordseepipeline behaupten, die Einleitung von Salzlauge in die Nordsee sei unproblematisch. »Aber Salzwasser ist nicht gleich Salzwasser: Die Abwässer der Kaliindustrie haben eine völlig andere Ionenzusammensetzung und Konzentration als natürliches Seewasser«, erläutert Dieter Harrsen. Unzweifelhaft würden das Ökosystem des Jadebusens, die Muschelkulturen und die Fischwirtschaft Schaden nehmen. Auch der Tourismus, eine der wichtigsten Säulen der niedersächsischen Wirtschaft an der Küste, werde leiden.

»Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste wird sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Einleitung wehren«, kündigt Dieter Harrsen an. Er erwartet großen Widerstand entlang der gesamten Nordseeküste. Neben Sachargumenten stünden auch das Wasserrecht und europäische Vorschriften des Meeresschutzes der Einleitung von Salzlauge in den Jadebusen entgegen.

Auf der Anrainerkonferenz für Werra und Weser hat das Land Nordrhein-Westfalen gegen den Willen von Hessen und Niedersachsen kürzlich erneut den Bau der Nordseepipeline gefordert. »Das ist der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Darüber können sich alle Fachleute nur wundern«, sagt Harrsen.

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste fordert, in erster Linie alle Möglichkeiten der Vermeidung von Abwasser und Abfall zu nutzen. Gutachterliche Vorschläge für eine »abschlagfreie Produktion« liegen auf dem Tisch. »Sie müssen geprüft und umgesetzt werden. Eine Einleitung in die Nordsee darf erst diskutiert werden, wenn alle Möglichkeiten der Vermeidung ausgeschöpft sind und wenn Salzgehalt und Konzentration der des Nordseewassers entsprechen«, betont Dieter Harrsen.

Text als PDF-Datei: PM 14-12-02 Nordseepipeline für Kaliabwässer wäre ein Skandal

Gegen Stellenabbau bei Wasserschutzpolizei

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Nun hat sich auch die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN in die Debatte um die Reduzierung der Planstellen bei der Wasserschutzpolizei eingeschaltet. Mit Nachdruck richtet sie die Forderung an die Landesregierung Schleswig-Holstein, die Funktionen der Wasserschutzpolizei nicht durch Stellenabbau einzuschränken, sondern angesichts der wachsenden Aufgaben auf See die umfassende Funktionsfähigkeit zu erhalten. Nur so könne künftig unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz die Qualität der Aufgabenwahrnehmung gewährleistet werden.

In einem Schreiben an die fünf Innenminister der norddeutschen Küstenländer fordert der Vorsitzende der SDN, Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, die Küstenländer auf, ihre bereits begonnenen Initiativen zur Einrichtung einer Nationalen Küstenwache mit Zugriff auf die aktuellen Lagebilder, mit Befugnissen des Polizeirechts, des Fischereirechts, des Zollrechts und Umweltrechts sowie des Notfallmanagements und der Terrorismusbekämpfung als eigenständige Organisationseinheit mit monokratischer Führung fortzusetzen.

Die Zuständigkeit dieser neu zu schaffenden Organisation müsse sich auf die deutschen Hoheitsgewässer und den Bereich seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres erstrecken. Ein Nebeneinander von Bundes- und Länderverantwortlichkeiten sind aufzulösen.

Harrsen erinnert, dass 1998 das Havariemanagement beim Brand der »Pallas« in eklatanter Weise Organisationsmängel der Notfallvorsorge auf See aufgezeigt hatte. Mit externen Fachleuten hat die SDN als Konsequenz die Zusammenfassung der seegehenden Kräfte des Bundes und der Küstenländer zu einer Küstenwache als eigenständige Organisationseinheit mit monokratischem Aufbau gefordert. Auch die damals eingerichtete sogenannte Grobecker- Kommission hatte gleiche Empfehlungen ausgesprochen.

»Einiges ist seitdem geschehen«, lobt Dieter Harrsen. Das Havariekommando und das Maritime Sicherheitszentrum wurden eingerichtet und seien wichtige Bausteine für den Meeresschutz. Gleichwohl sind diese Maßnahmen, da sie zu keiner Änderung der bestehenden Behördenstruktur führten, weit entfernt von einer Nationalen Küstenwache als eigener, monokratisch geführter Organisationseinheit. Mit Sorge sieht die SDN, dass die Aufgaben auf See wachsen, die Gefährdungslage zunimmt, der Bund aber seine organisatorischen Möglichkeiten nicht wahrnimmt und die Länder – allen voran Niedersachsen und Bremen – ihre Wasserschutzpolizeien in einem Umfang abgebaut haben, dass sie kaum noch zu einem wichtigen integrierenden Baustein einer Nationalen Küstenwache werden können. »Schleswig-Holstein ist drauf und dran, dem Weg Niedersachsens zu folgen«, unterstreicht Harrsen.

»Die Aufgaben wachsen«, sagt auch der Leiter des SDN-Arbeitskreises Küstenwache, Hans von Wecheln. Dazu gehörte neben einem wachsenden Seeverkehr mit Containerschiffen und Kreuzfahrern auch der Bau von Offshore Windparks mit den auf See arbeitenden Beschäftigten. Ebenso seien verkehrslenkende Maßnahmen und die Seeraumüberwachung noch nicht in diesen Gebieten vorhanden, Schiffe würden zwischen den Windfarmen konzentriert, dass erschwere die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs. Auch die Radikalisierung islamischer Gruppen betrachtet die SDN als ein zukünftiges Problem. Angriffe auf den Seeverkehr und die maritime Struktur gehörten zu den realistischen Szenarien. Bei Munitionsräumung und Umweltschutzaufgaben müssten schifffahrtspolizeiliche Vollzugskräfte eng strukturiert zusammen arbeiten. Eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Europäischen Sicherheitsagentur EMSA erfordere ebenfalls eine nationale Organisation.

Die SDN hofft, dass die in einem Monat stattfindende Konferenz der norddeutschen Innenminister dieses Thema nicht länger verdrängt, sondern mit der Bundesebene in einen Dialog tritt, um schrittweise eine Lösung auf dem Weg zur Nationalen Küstenwache zu erarbeiten.

Text als PDF-Datei: PM 14-08-27 SDN gegen Stellenabbau bei Wasserschutzpolizei

Nordsee-Anrainer stellen Forderungen an die Bundesregierung

Ineffektive Strukturen der Gefahrenabwehr auf See, nicht durchdachte Verkehrsregeln zwischen Offshore-Windparks, zu viel Müll in den Meeren: Deutliche Kritik am Koalitionsvertrag auf Bundesebene übte die Mitgliederversammlung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN).

»Wir haben unsere Diskussion in einer Stellungnahme an die Bundeskanzlerin und die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen zusammengefasst«, erklärt der frisch wiedergewählte Vorsitzende des kommunalen Dachverbandes für den Schutz der Nordsee, Dieter Harrsen.

So fordert die SDN die Zusammenfassung aller seegehenden Überwachungskräfte in einer Deutschen Küstenwache: Rund 15 verschiedene Behörden nehmen mit eigenen Schiffen Aufgaben in der Nordsee wahr. An dieser Struktur ändere auch das Havariekommando nichts. Sie sei nicht geeignet, die Kontrolle und Überwachung des Seeverkehrs zu verbessern, Havarien zu verhindern sowie terroristische Angriffe unter Führung eines eingespielten Teams erfolgreich abzuwehren, betont Harrsen.

Sorgen bereitet den Umweltschützern auch die Sicherheit in der Deutschen Bucht: Aufgrund der Offshore-Windparks muss der Schiffsverkehr in dem weltweit am stärksten befahrenen Meeresgebiet in schmalen Vorrangflächen konzentriert werden. Daraus ergäben sich zusätzliche Gefährdungen. »Wir brauchen größere Vorrangflächen, mehr Abstand zu den Windkraftanlagen und eindeutige Fahrregeln mit Autobahncharakter. Die übliche Rechts-vor-links-Regel wird absehbar zu Unfällen führen«, ist Dieter Harrsen sicher.

Trotz zahlreicher Verbote gelangen noch immer zu viele Abfälle in die See – mit verheerenden Folgen für die Ökosysteme. Gründe sind nach Ansicht der SDN-Fachleute die mangelhafte Überwachung der Schiffe und die meist kostenpflichtige Entsorgung in den Häfen. Die Küstenländer müssten dafür sorgen, dass die Entsorgungsgebühren überall vollständig in die Liegegebühren integriert werden.

Doch die EU-Kommission hat den Entwurf einer Hafenverordnung auf den Weg gebracht, die das genaue Gegenteil vorsieht: Alle Hafengebühren sollen so genau wie möglich aufgeschlüsselt werden und die wirkliche Nutzung widerspiegeln. Das sei kontraproduktiv, verursache Aufwand und koste mehr Geld, ohne der Umwelt zu nützen, kritisiert die SDN.

Ein weiteres Augenmerk gilt der Nachwuchssicherung des nautischen Personals im öffentlichen Bereich, der Finanzierung der Ausbaukosten für den Nord-Ostsee-Kanal und der Qualität der Lotsendienste, die durch Privatisierungsbestrebungen der EU-Kommission gefährdet würden.

Neben der inhaltlichen Diskussion standen Wahlen auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung: Zum Vorstand gehören jetzt drei Landräte (Dieter Harrsen, Nordfriesland, Sven Ambrosy, Friesland, Dr. Jörn Klimant, Dithmarschen), ein Bürgermeister (Gerd-Christian Wagner, Varel) sowie Fachleute aus den Bereichen Planung und Umwelt (Rudolf-Eugen Kelch, Husum, und Jörg-Peter Frerichs, Varel), Wasserwirtschaft (Marcus Rudolph, Cuxhaven), Recht (Manfred Hoffmann, Varel) und Küstenschutz (Karl Petersen, Tönning). Vervollständigt wird das Gremium durch den Vorsitzenden des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, Kapitän Uwe Jepsen, und den Vorsitzenden der Insel- und Halligkonferenz, Manfred Uekermann.

»Damit steht wieder ein dynamisches und höchst kompetentes Team an der Spitze der SDN«, freut sich der Vorsitzende. Angesichts der zum Teil erschreckenden Sorglosigkeit von Politikern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene in Bezug auf den Nordseeschutz warte noch viel Arbeit auf die SDN als Lobbyorganisation der Küstenbewohner.

Nach der Mitgliederversammlung bat die SDN zur Feier eines doppelten Jubiläums: Der Verband selbst besteht seit 40 Jahren, das von ihm mit zwei Partnern betriebene Nationalpark-Haus in Varel-Dangast seit 25 Jahren. Die Festrede hielt der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel.

Text als PDF-Datei: PM 14-05-14 Nordsee-Anrainer stellen Forderungen an die Bundesregierung

SDN fordert umgehenden Baubeginn am Nord-Ostsee-Kanal

»Mehrausgaben von 110 Millionen Euro dürfen keine weiteren Verzögerungen beim Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals rechtfertigen«, erklärt der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, Dieter Harrsen.

Er betont, dass der Kanal zur absolut unverzichtbaren Grundinfrastruktur gehört: »Wenn seine Schleusen nicht verlässlich funktionieren und seine Breite und Tiefe für moderne Schiffe nicht ausreichen, wird das tiefgreifende wirtschaftliche Folgen für ganz Norddeutschland haben«, warnt er.

Sollten große Containerschiffe auf die Häfen in Rotterdam und Antwerpen ausweichen, gefährde das Hamburg als den Wachstumsmotor im Norden.

Gestern wurde bekannt, dass der Bundesrechnungshof den Bau der neuen Schleuse bei Brunsbüttel wegen der von 375 Millionen auf 485 Millionen Euro gestiegenen Kosten als volkswirtschaftlich unrentabel ansieht.

»Selbstverständlich müssen wir mit öffentlichen Mitteln sparsam umgehen, aber eine rein haushalterische Betrachtungsweise greift hier zu kurz«, erläutert Dieter Harrsen:

Ist der Kanal nicht nutzbar, können Schiffe auf dem Weg zur Ostsee nur noch über das Skagerrak fahren. Dies kostet die Reedereien mehr Treibstoff und mehr Zeit und erhöht die Kosten. Der Weg über die Nordspitze Dänemarks ist 250 Seemeilen oder 14 bis 18 Stunden länger als die nur sechs bis acht Stunden dauernde Kanalpassage.

Zusätzlich bedeutet das eine höhere Unfallgefahr und aufgrund des höheren Treibstoffverbrauchs eine größere Belastung der Umwelt durch die verbrannten Schweröle. Deshalb fordert die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste – ein Umweltverband insbesondere von Kreisen und Kommunen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein –, die geplanten Baumaßnahmen am Kanal zügig zu beginnen und, wo immer möglich, nicht nacheinander, sondern gleichzeitig durchzuführen.

Dieter Harrsen sieht in der Position des Bundesrechnungshofes einen weiteren Beweis für das allmähliche Verschwinden maritimen Denkens in der Bundesrepublik Deutschland.

Text als PDF-Datei: PM 14-04-03 SDN fordert sofortigen Baubeginn am NOK

Keine neuen Nullnutzungszonen im Wattenmeer

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) kritisiert die Ziele zum Schutz des Wattenmeeres, die das Bundes-Umweltministerium in einer internationalen Regierungskonferenz der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks beschließen lassen will. »Mehrere Eckpunkte darin gefährden wichtige Wirtschaftszweige der Küstenregion, ohne der Natur zu nützen«, warnt der stellvertretende Vorsitzende der SDN, Gerd-Christian Wagner.

Entscheidend sei es, das Wattenmeer nicht allein als wertvollen Naturraum, sondern auch als Lebens- und Wirtschaftsraum des Menschen zu erkennen, sagt Wagner, der auch Bürgermeister der Stadt Varel ist: »Dieser Gedanke muss unbedingt in die Ministererklärung eingearbeitet werden.«

Deshalb spricht die SDN sich gegen die vom Land Schleswig-Holstein geforderte Erweiterung von nutzungsfreien Zonen aus. Jede Erhöhung des Anteils nutzungsfreier Flächen führe zu einem höheren Fischereidruck auf den verbleibenden Nutzflächen oder ruiniere einzelne Fischereibetriebe. »Es handelt sich um eine bloße Vermutung, dass die Nullnutzungszonen sich in einem ökologisch wesentlich besseren Zustand befinden als die Zonen, in denen gefischt wird. Obwohl das nicht wissenschaftlich belegt ist, soll es nun als Begründung dafür dienen, die Fischerei noch weiter zurückzudrängen. Das darf nicht passieren«, sagt Wagner.

Positiv bewertet er, dass Deutschland sich in der Konferenz gegen die künstliche Einwanderung gebietsfremder Arten stark machen will. Doch sogar völlig auf die Einfuhr von Saatmuscheln zu verzichten, wäre das Ende etwa für die Sylter Royal-Austernkultur. »Damit würde man weit über das Ziel hinausschießen«, erklärt Gerd-Christian Wagner. Alle natürlicherweise im Wattenmeer vorkommenden Arten müssten innerhalb des Gebietes ausgetauscht werden dürfen. So dürften auch keine Bedenken gegen das Umsetzen von Muschelsaat etwa zwischen Deutschland und den Niederlanden bestehen.

Kritisch bewertet die Schutzgemeinschaft zudem, dass das Umweltministerium neue Einschränkungen mit dem Prädikat Weltnaturerbe begründet. Gerd-Christian Wagner: »Der Status des Wattenmeeres als Weltnaturererbe ist kein eigenes Rechtsinstrument, sondern eine Auszeichnung der UNESCO, die erst durch Schutzanstrengungen vor Ort ermöglicht wurde. Mit der Vorlage einer eigenen internationalen Strategie für das Welterbegebiet muss sich die Bevölkerung zwangsläufig getäuscht fühlen.«

Bemängelt wird schließlich die späte Vorlage der Ministererklärung, die den Betroffenen erst »nach langen vier Jahren der Erarbeitung« zugestellt wurde und für eine gründliche Beurteilung nur wenige Monate Zeit lasse. Wichtige Anlagen würden zu langsam nachgereicht. Dieses Vorgehen nähre Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Beteiligungsverfahrens. Fazit: Da »die Anhänge, die überwiegend nicht bekannt sind, erst deutlich machen, was in den kommenden Jahren zu erwarten ist, kann dem Papier nicht zugestimmt werden.«

Ihre Einwände hat die Schutzgemeinschaft dem Ministerium in einer detaillierten Stellungnahme zukommen lassen und unter www.sdn-web.de ins Internet gestellt.

Trilaterale Regierungskonferenzen zum Schutze des Wattenmeeres sind eine Einrichtung der drei Wattenmeeranrainerstaaten Niederlande, Deutschland und Dänemark und finden seit 1978 regelmäßig statt, derzeit im drei- bis vierjährigen Turnus. Die nächste, zwölfte Konferenz ist für den 5. Februar 2014 im dänischen Tønder anberaumt.

Die SDN ist ein Zusammenschluss von Kreisen, Kommunen, Vereinen, Wirtschaftsverbänden und Privatleuten an der deutschen Nordseeküste zu einem Umweltschutzverband. Seit mehr als 40 Jahren engagiert sie sich für die Erhaltung der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum.

Text als PDF-Datei: PM 14-01-24 Keine neuen Nullnutzungszonen

Licht und Schatten in der Position der Parteien zum Nordseeschutz

»Es gibt gute Ansätze, aber offen gestanden hatten wir uns ein stärkeres Bekenntnis der politischen Parteien zum Nordseeschutz erhofft«, erklärte Dieter Harrsen am Dienstag (3. September 2013) bei einer Pressekonferenz in Hamburg. Sechs Fragen zu aktuellen Nordsee-themen hatte der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten von CDU, SPD, FDP, Bündnis90/DieGrünen und DIE LINKE in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen zur Bundestagswahl 2013 vorgelegt. Alle Angeschriebenen reichten den Fragenkatalog zur Beantwortung an ihre Parteizentralen oder Bundestagsfraktionen weiter.

Die SDN ist ein kommunaler Umweltverband, dem zahlreiche Kreise, Städte und Gemeinden sowie Vereine und andere Institutionen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen angehören. Damit ist die SDN auch Anwalt für die Belange der Küstenbevölkerung beim Thema Schutz und Nutzen der Nordsee.

Wahlprüfstein Nr. 1: Küstenwache

Ganz besonders liegt den Nordseeschützern die Einrichtung einer Deutschen Küstenwache am Herzen. »Seit über 40 Jahren diskutieren wir über die Notwendigkeit, alle seegehenden Überwachungskräfte, also die an der Nordsee stationierten Schiffe von 15 deutschen Behörden und Ämtern, in einer Deutschen Küstenwache zusammenzufassen, zu der auch das Havariekommando in Cuxhaven gehören muss«, erläuterte Hans von Wecheln. Er leitet die Arbeitsgruppe Küstenwache der SDN. Er begrüßt das uneingeschränkte Ja der FDP zur Küstenwache. Auch die Grünen und die Linke tendieren in diese Richtung. Beide betonen die erforderliche enge Abstimmung mit den europäischen Partnern, die Linke spricht sich für eine europäische statt einer nationalen Küstenwache aus. »Diese Parteien haben zumindest das Problem erkannt«, analysiert von Wecheln. Leider seien CDU und SPD – beide haben in früheren Jahren in Anträgen an den Bundestag beziehungsweise in einem Koalitionsvertrag die Schaffung der Küstenwache gefordert – von dieser Erkenntnis noch weit entfernt, sondern forderten weitere Prüfungen durch die beteiligten Bundesbehörden.

»Dabei sind es ja gerade diese Behörden, die die Zusammenfassung der Flotte bisher immer verhindert haben. Es ist bedauerlich, dass diese Verzögerungstaktik immer noch von der Politik unterstützt wird«, kritisiert SDN-Vorsitzender Dieter Harrsen, im Hauptberuf Landrat des Kreises Nordfriesland. Die SDN werde sich weiterhin für die Schaffung einer nationalen Küstenwache einsetzen, die auch als Vorstufe einer europäischen Einrichtung gesehen werden müsse. »Nach der Havarie der Pallas vor 15 Jahren bestand über alle Ebenen hinweg Einigkeit, dass eine einheitlich geführte Küstenwache unbedingt erforderlich ist«, erinnert sich Hans von Wecheln. Zwar begrüßt die SDN, dass im Maritimen Sicherheitszentrum, dessen Neubau in Cuxhaven voraussichtlich Ende 2014 fertig gestellt wird, im Gemeinsamen Lagezentrum See eine Bundesleitstelle aller auf See tätigen Bundesbehörden eingerichtet worden ist. Doch die Strukturen wurden nicht geändert, jede Behörde ist nach wie vor mit eigenen Zuständigkeiten und Verantwortungen tätig. Von einer einheitlichen Führung einer Deutschen Küstenwache ist man immer noch weit entfernt.

Wahlprüfstein Nr. 2: Schiffssicherheit

Eine weitere Sorge der SDN gilt der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs, die durch die zahlreichen geplanten und teils bereits im Bau befindlichen Windparks in der Nordsee gefährdet wird: Wo Windmühlen stehen, können keine Schiffe mehr fahren. »Die Schifffahrts-wege werden schmaler, und der Verkehr wird durch die derzeitige

Planung konzentriert werden. Für den kreuzenden Verkehr an den zahlreichen Schnittpunkten der geplanten Wegführung sind bei Ausweichmanövern die notwendigen Manövrierräume teils zu klein und die Wege zu schmal. Damit steigt die Havariegefahr ganz erheblich«, erklärte SDN-Vorstandsmitglied Rudolf-Eugen Kelch. Das gelte gleichermaßen für querende Verkehre aus den für Windkraftanlagen vorgesehenen Gebieten. Die SDN fordert ausgeweitete Vorrangflächen für die Schifffahrt, einen größeren Mindestabstand von Windkraftanlagen, den Erlass eindeutiger Kollisionsverhütungsregeln sowie die Ausweitung der behördlichen Radarüberwachung.

Am deutlichsten stellt sich die Linke hinter die klar formulierten Forderungen der SDN. Auch die anderen Parteien erkennen die Bedeutung des Themas, skizzieren aber teils unterschiedliche Herangehensweisen. So will die CDU bis Ende des Jahres ein »Rahmenkonzept Offshore-Windenergie« in Kraft setzen, das in seinem derzeitigen Entwurf allerdings nur von Möglichkeiten der Verbesserung des Schiffsverkehrs spricht, ohne klare Rahmenbedingungen zu setzen. Die Grünen treten für eine stetige Anpassung des vorhandenen »Sicherheitskonzeptes Deutsche Küste« ein.

»Positiv ist festzustellen, dass das Problem von allen erkannt wurde«, resümierte Rudolf-Eugen Kelch. »Die SDN wird versuchen, mehr Fachwissen in die Diskussion zu bringen, indem wir alle Küstenpolitiker einladen, eine sehr eindrucksvolle Darstellung der Sachlage im Schifffahrtssimulator des Nautischen Instituts der FH Flensburg zu besichtigen und danach mit Experten zu diskutieren.« Die SDN hatte die technisch anspruchsvolle Simulation des Verhaltens riesiger Frachtschiffe auf engen Wasserstraßen zwischen Windparks an der FH angeregt.

Wahlprüfstein Nr. 3: Notschleppkonzept

Die dritte Frage der SDN an die Parteien galt der Stationierung eines vierten Notschleppers in der Deutschen Bucht in der Nähe von Sylt. »Die vorhandenen Schlepper liegen alle im südwestlichen Bereich der Deutschen Bucht. Bei einer Havarie vor der nordfriesischen Küste können sie erst nach deutlich mehr als zwei Stunden vor Ort sein. Diese Reaktionszeit ist einfach zu lang«, stellte Hans-Jürgen Bootsmann-Gäbler fest.

Deshalb hält der Kapitän und Seelotse einen weiteren Notschlepper aus nautischer Sicht für dringend geboten – trotz eines Verweises der CDU auf den fehlenden finanziellen Spielraum. Damit steht die SDN auch im Gegensatz zur SPD, die die vorhandenen Kapazitäten für ausreichend hält und ansonsten auf »bilaterale Abkommen mit den Nachbarstaaten« setzt. »In Dänemark chartert der Staat im Bedarfsfall einen privaten Notschlepper. Um ihn einsetzen zu können, müssten die beiden Staaten erst einmal Vertragsverhandlungen aufnehmen«, gibt Bootsmann-Gäbler zu bedenken. Er regt an, eine finanzielle und betriebliche Beteiligung der Windparkbetreiber an einem vierten Notschlepper zu prüfen.

Die Grünen haben zwar erkannt, dass an der Nordflanke eine Sicherheitslücke existiert. Eine klare Aussage zugunsten eines vierten Schleppers machen sie indes nicht. Ähnlich äußert sich die FDP, die mit Verweis auf die Kosten »andere Optionen« prüfen will, ohne sie näher zu benennen. Die Linke hingegen spricht sich für einen weiteren Schlepper aus und legt Wert darauf, dass er vom Staat selbst und nicht von Privaten bereedert wird.

Wahlprüfstein Nr. 4: Abfallentsorgung

Die vierte Frage der SDN galt der Abfallentsorgung in den Häfen: Trotz einschlägiger Vorschriften gelangen auch aus der Seefahrt noch immer zu viele Abfälle in die See – mit verheerenden Folgen für die Öko-systeme der Meere. Ein Grund ist die nicht ausreichende Überwachung der Schiffe in den Häfen und die mit wenigen Ausnahmen kostenpflichtige Entsorgung in den Häfen. Deshalb regte die SDN eine Initiative des Bundes gegenüber den Küstenländern dafür an, dass die Müllentsorgungsgebühren zu 100 Prozent in die Liegegebühren integriert werden und sichergestellt wird, dass Schiffe die Häfen nur mit entleerten Müll-Lagern verlassen dürfen.

Die CDU verweist schlicht auf die Zuständigkeit der Länder. »Dass der Bund nicht zuständig ist, wussten wir auch vorher«, merkte SDN-Vorsitzender Harrsen trocken an. »Uns geht es ja nur um eine politische Initiative, die der Bund entfalten soll.« Umso mehr freut er sich über die Bereitschaft von Grünen, FDP und Linken, sich entsprechend einzusetzen. Auch die SPD liegt auf der Linie der SDN, schreibt aber kein Wort über ihre Bereitschaft, politisch initiativ zu werden.

Wahlprüfstein Nr. 5: Abfalldumpingverbot

Manche Müllarten dürfen auch heute noch in die Meere entsorgt werden. In der Nordsee selbst ist das zwar verboten, doch gelangen Ab-fälle aus anderen Meeren auch bis an die deutschen Küsten, darunter tausende Tonnen Plastikmüll. »Plastikmüll ins Meer zu kippen, ist weltweit verboten. Aber das heißt nicht, dass die anderen Müllarten, deren Verklappung erlaubt ist, nicht mit Plastik durchmischt sein können«, weiß Rudolf-Eugen Kelch. Deshalb fragte die SDN die Haltung der Parteien zu einem weltweiten, kompletten Verbot der Einleitung jeglicher Abfälle in die Meere ab.

SPD, Grüne, FDP und Linke sind bereit, sich in diesem Sinne gegenüber der Welt-Meeres-Behörde IMO einzusetzen. »Die FDP verweist zu Recht darauf, dass dies ein langsamer und mühsamer Prozess sein wird, aber es ist leider die einzige Möglichkeit, die es gibt«, sagte Kelch. Unbefriedigend bleibt für ihn die Antwort der CDU, die schlicht darauf hinweist, dass es bereits ein Plastikmüllverbot gibt, und keine weiteren Aktivitäten für erforderlich zu halten scheint.

Wahlprüfstein Nr. 6: Notfallvorsorge

Im letzten »Wahlprüfstein« greift die SDN die Notfallvorsorge auf Offshore-Windfarmen auf: Obwohl die Arbeitgeber verpflichtet sind, die medizinische Notversorgung einschließlich Bergung und Transport ihrer Mitarbeiter bei Unfällen sicherzustellen, planen staatliche Stellen, parallel einen öffentlichen Rettungsdienst aufzubauen – ein für den Steuerzahler teures Vorhaben, das der Bund durch die exakte Festlegung der Zuständigkeiten verhindern sollte.

Grüne, FDP, SPD sprechen sich – bei teils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – dafür aus, dass die Verantwortung für die Notfallvorsorge bei den Arbeitgebern bleibt. Auch die Linke will die Arbeitgeber nicht aus der finanziellen Beteiligung entlassen, sieht aber daneben Ansätze für eine Verantwortung des Staates. Die CDU propagiert eine »maritime Sicherheitspartnerschaft«, die der private und der öffentliche Sektor gemeinsam an einem runden Tisch erarbeiten sollen.

»Manche Antworten stimmen uns hoffnungsvoll, andere zeigen, dass es weiterhin dicke Bretter zu bohren gilt«, fasste SDN-Vorsitzender Dieter Harrsen die Reaktion der SDN auf die Antworten der Parteien zusammen. Er verspricht, dass die SDN auch weiterhin eine Vorkämpferin für den Nordseeschutz bleibt.

Text als PDF-Datei: PM 13-09-03 Wahlprüfsteine Ergebnis

Nordsee-Windparks bedrohen die Schifffahrt – SDN fordert Raumordnungsplan

»Beim Ausbau der Offshore-Windenergieparks darf die Bundesregierung die Sicherheit der Schifffahrt nicht aus dem Auge verlieren«, fordert die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste. Der Vorsitzende des kommunalen Umweltverbandes, der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen, weist darauf hin, dass die Deutsche Bucht schon heute das am dichtesten befahrene Seegebiet der Welt ist. Die neun geplanten und teils im Bau befindlichen Windparks führen dazu, dass der Schiffsverkehr künftig noch stärker auf sehr schmale Bereiche konzentriert werden wird.

Auf See gilt grundsätzlich rechts vor links. Nach derzeitigem Planungsstand müssen also riesige Containerfrachter einem kleinen Schiff ausweichen, das von rechts aus einem Windpark heraus in eine enge Wasserstraße hineinfährt. »Bei einer Stoppstrecke von bis zu zwei Kilometern kann das gar nicht funktionieren: Entweder weicht das Containerschiff nach steuerbord aus und rammt eine Windmühle, oder es weicht nach backbord aus und fährt in den Gegenverkehr, oder es behält seinen Kurs bei und kollidiert mit dem kleineren Schiff«, erläutert Harrsen. Er fordert von der Bundesregierung, spezielle Verkehrsregelungen vorzusehen, die dies verhindern.

Trotz zahlreicher Gespräche mit Vertretern der verantwortlichen Bundesbehörden gehe die Bundesregierung die deutlich erkennbaren Probleme nicht entschlossen genug an, stellt Harrsen fest: Für die Nordsee müsse ein Raumordnungsplan erarbeitet werden, in dessen Zentrum neben der Energiewende die Verbesserung der Schiffssicherheit steht. Der Plan müsse Vorrangflächen für die Genehmigung von Meereswindfarmen sowie Korridore für die Schifffahrt ausweisen. »Bisher will der Bund die Schiffe in diesen Korridoren kreuz und quer fahren lassen. Viele Nautiker bezeichnen dieses als gefährlichen Leichtsinn«, warnt Dieter Harrsen.

Er fordert die Einrichtung eines Verkehrstrennungsgebietes nach Regel 10 der Kollisionsverhütungsregeln, also eine Art Autobahn mit getrennten Fahrspuren und einer Trennzone in der Mitte, die nicht befahren werden darf. In einem solchen Gebiet dürfen einbiegende kleinere Fahrzeuge die größeren nicht zum Ausweichen zwingen.

Ergänzend fordert die SDN die Ausweitung des bestehenden Lotswesens unter staatlicher Aufsicht und dass die Erfordernisse der Schifffahrt bei der Festlegung der Windpark-Grenzen berücksichtigt werden – auch dies müsse im Raumordnungsplan geregelt werden.

Bei allem Respekt vor dem Havariekommando vertritt die SDN die Auffassung, dass Havarievermeidung vor Havariemanagement gehen sollte. »Auch in diesem Bereich stellen wir im Interesse von Natur und Wirtschaft klare Forderungen an den Bund«, sagt Harrsen: So müsse die staatliche Radar-Überwachung des Seeraums durch Verkehrszentralen wesentlich ausgebaut werden und die Information der Schifffahrt per Funk verbessert werden. Auch das Notschleppkonzept decke die gestiegene Gefährdungslage nicht mehr ab.

Im Namen der SDN hat Dieter Harrsen den verantwortlichen Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, zu einem Gespräch mit gestandenen Praktikern eingeladen. »Sowohl die Nautiker als auch die Verwaltungschefs in der SDN erkennen die Gefahren, die unsere Küste bedrohen, weil die Bundesregierung die ständig zunehmende Gefährdungslage unterschätzt. In einem Gespräch mit dem Minister kommen wir sicherlich ein großes Stück voran«, erwartet Harrsen.

Text als PDF-Datei: PM 13-04-11 Nordsee-Windparks bedrohen die Schifffahrt

Neustrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsämter: SDN fordert kompetente, küstennahe Verwaltung

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) protestiert gegen Pläne des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der Bund will die Aufgaben der in Kiel und Aurich angesiedelten Wasser- und Schifffahrtsdirektionen (WSD) Nord und Nordwest in eine neue Generaldirektion verlagern, die im küstenfernen Bonn gegründet werden soll.

»Es kann doch nicht sein, dass die wichtigsten Entscheidungen über die See- und Küstenschifffahrt schon bald nicht mehr am Ort des Verkehrs im Norden Deutschlands getroffen werden sollen, sondern im Binnenland«, schüttelt der SDN-Vorsitzende Dieter Harrsen den Kopf. Er weist darauf hin, dass in der Schifffahrt auf den Bundesseewasserstraßen und an der Küste wesentlich mehr Schiffe und ebenso deutlich mehr Tonnen Ladung unterwegs sind als auf den Flüssen und den Kanälen der Bundesbinnenwasserstraßen.

Immer wieder wird in Deutschland der Vorwurf laut, Verwaltungen agierten vom grünen Tisch aus und träfen mangels Kontakt zur Basis falsche Entscheidungen. »Jetzt will Minister Peter Ramsauer Strukturen schaffen, die genau das verursachen werden«, stellt Dieter Harrsen fest.

Die Aufgaben einer WSD sind vielfältig: Planfeststellungsverfahren, die Klärung von Rechtsfragen, die verkehrsrechtliche Ordnung des Schiffsverkehrs, die Aufsicht über die Lotsenbrüderschaften, die langfristige Planung von Neubau- und Erhaltungsmaßnahmen, die Koordination der nachgeordneten Behörden und vieles mehr erfordern Harrsen zufolge eine küstennah angesiedelte Direktion.

Die SDN besteht nicht auf dem Erhalt der bisherigen Standorte: Ob die Entscheidungen für die Küste in Kiel, Hamburg, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Cuxhaven oder in Aurich getroffen würden, sei zweitrangig: Es komme allein darauf an, dass die Mitarbeiter der Verwaltung die Auswirkungen ihrer Arbeit täglich vor Augen haben und für persönliche Kontakte mit den Vertretern öffentlicher Belange zur Verfügung stehen müssen.

»Je komplexer die Aufgaben sind, desto höhere Bedeutung ist der regionalen Verwurzelung und Vernetzung der Entscheidungsträger beizumessen«, erklärt Dieter Harrsen.

Was ihn ebenfalls wundert: Der Bund scheint keine konkreten Überlegungen zu der Frage angestellt zu haben, wie der Erfolg oder Misserfolg der Reform später gemessen werden soll. Die einzige wichtige Kennzahl scheint die Zahl der abgebauten Arbeitsplätze zu sein. »In der heutigen Zeit, in der auch viele kommunale Behörden ein Benchmarking betreiben, um die Effizienz und Effektivität ihrer Arbeit zu messen, lässt sich dies nur als anachronistische und damit unangemessene Herangehensweise an eine für ganz Deutschland so bedeutsame Reform bewerten«, findet SDN-Chef Harrsen.

Die SDN hat Minister Ramsauer gebeten, sein Organisationsmodell noch einmal zu überprüfen und Entscheidungen, die sich beispielsweise auf Hamburg, auf Bremerhaven, auf Kiel mit dem Nord-Ostee-Kanal oder auf den Jade-Weser-Port auswirken, nicht in einer Amtsstube fällen zu lassen, die sich 400 Kilometer vom nächstgelegenen größeren Seehafen entfernt befindet.

Am 29. November will Minister Ramsauer mit den Staatskanzleien der Länder über die Umsetzung seiner Reformpläne sprechen. Dieter Harrsen hofft inständig, dass die Forderungen der SDN nach einer kompetenten, küstennahen Verwaltung dabei berücksichtigt werden.

Text als PDF-Datei: PM 12-11-27 SDN fordert küstennahe Schifffahrtsverwaltung