SDN zum BSU-Unfallbericht GLORY AMSTERDAM

  • Die Lehren aus PALLAS „2“ (19366 Anschläge Haupttext)
    • Die SDN schaut auch noch intensiv hin, wenn die Schlagzeilen längst erloschen sind!

 Husum/Oldenburg. Nach einer längeren Erarbeitungszeit hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) ihn in der vergangenen Woche geliefert, den 192 Seiten umfassenden Unfallbericht zum schweren Seeunfall des Massengutfrachters GLORY AMSTERDAM am 29. Oktober 2017. Dabei verdriftete das Schiff über zwölf Stunden hinweg, trotz zweier ausgebrachter Anker und funktionierender Hauptmaschine, von der Reede vor Helgoland und strandete 1,6 Seemeilen vor Langeoog. Zum Glück ohne größere Umweltschäden – der Tide und dem weichen Sand sowie dem Doppelboden im Tankbereich sei Dank. „Und im Namen der Kreise und Kommunen an der Küste spreche ich den Einsatzkräften vor Ort höchste Anerkennung aus. Sie haben ihren teils gefährlichen Einsatz mit Kompetenz, Einsatzwillen und praktizierter Verantwortung für Leib und Leben der Beteiligten durchgeführt“, erklärt der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN), der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen. Als kommunaler Umweltverband vertritt die SDN die Interessen von rund 200 Kommunen, Landkreisen, Instituten, Vereinen, Verbänden und Einzelmitgliedern entlang der Küste.

Nun stelle sich der BSU-Bericht als hilfreiche Quelle für den deutlichen Verbesserungsbedarf im deutschen Küsten- und Notfallschutz dar, ist Harrsen überzeugt. Und das, obwohl BSU und HK dem selben Ministerium unterstehen und sogar der selbe Referent (Referat WS 22) die Dienst- und Fachaufsicht ausübt. Was aus Sicht der SDN eher als hinderlich für eine unabhängige Untersuchung angesehen wird. Denn schließlich sei es dem verantwortlichen Havariekommando (HK) im Verlauf von insgesamt 12,5 Stunden nicht gelungen, erfolgreich auf eine Situation zu reagieren, die in der Seefahrt alles andere als ungewöhnlich ist und deren erhebliches Gefahrenpotenzial sowohl bordintern als auch extern frühzeitig erkannt worden war. Scheinbar eindeutige Ursachen für das Scheitern waren mit den unzulänglichen Englischkenntnissen des chinesischen Kapitäns der GLORY AMSTERDAM und einer vermeintlichen baulichen Unzulänglichkeit des Notschleppers NORDIC auch schon weit vor dem Unfallbericht publiziert worden.

Sprach-, Verständigungs- und Verständnisprobleme

Dem Unfallbericht ist vor allem zu entnehmen, das es dem chinesischen Kapitän stressbedingt an der Fähigkeit mangelte, allgemeinverständlich (inhaltlich und phonetisch) in englischer Sprache zu kommunizieren. Somit sei er nicht in der Lage gewesen, den Sinn und Zweck der seitens der deutschen Stellen angekündigten Maßnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu verstehen. Allerdings zeigt sich in dem Bericht, trotz vorhandener Englischkenntnisse, auch innerhalb des bunten Straußes deutscher Verantwortlichkeiten (Verkehrszentrale German Bight Traffic“ (Vkz), Kapitän NORDIC (gleichzeitig auch als On-Scene-Coordinator (OSC) des HK eingesetzt), Kapitän MELLUM, Boarding Team und HK) einiges an Informations-, Verständnis- und Verständigungsproblemen. Unterstellte oder gar echte Verweigerungshaltungen des Frachter-Kapitäns ließen sich so laut Bericht wohl teilweise erklären; vermutete Aktivitäten zur Verhinderung einer Schleppverbindung allerdings nicht sicher feststellen.

Aus Sicht der SDN stellt sich zu diesem Themenfeld die zwingende Frage, wie mit solchen oder ähnlichen Fällen zukünftig an der deutschen Küste umgegangen werden soll? Wahrscheinlich kann man dem Kapitän der GLORY AMSTERDAM keinerlei böse Absicht unterstellen – aber es gibt noch viele andere Kapitäne und Schiffsbesatzungen, die in außerordentlicher Stresssituation vielleicht nicht richtig reagieren – sei es aus seemännischen Unzulänglichkeiten, Versicherungsfragen oder gar böser Absicht. Das negative Resultat wäre für die Küste und ihren Lebensraum Wattenmeer das selbe.

Das Schiff GLORY AMSTERDAM

Am 29. Oktober um 05:20 Uhr begann die GLORY AMSTERDAM, bei Windgeschwindigkeiten von teilweise über 120 km/h und einer Wellenhöhe bis zu acht Metern, trotz beider ausgebrachten Anker und Einsatzes der Hauptmaschine mit zwei bis drei Knoten über Grund zu vertreiben. Die Verkehrsüberwachung in der Deutschen Bucht bemerkte das und leitete alsbald die ersten helfenden Schritte ein, die aber letztlich nicht zum Erfolg, stattdessen zur Strandung führten. Zweifelsfrei war die GLORY AMSTERDAM technisch nicht in der Lage, auch nicht mit voller Kraft der eigenen Hauptmaschine, das Verdriften wirksam aufzuhalten. Und dieses Problem betrifft immer mehr Massengutfrachter und auch Tanker.

Aus Sicht der SDN mutet es da schon seltsam an, dass vergleichbar große Vollcontainerschiffe eine etwa viermal so große Maschinenleistung haben. So ergibt sich eine außerordentlich große Sorge, dass ebenso das Vermögen vieler anderer aus „Kraftstoffeffizienz“ untermotorisierten Schiffe im Notfall nicht mehr ausreicht, mit starkem Wind und schwerer See zurechtzukommen. Und die gibt es ja nun in der Nordsee nicht ganz so selten. Dem Umstand, dass der Rumpf der GLORY AMSTERDAM nach der Strandung nicht gebrochen ist, fordert aus Sicht der SDN einen großen Dank an die Sandbank vor Langeoog. Allerdings war das laut eines im BSU-Bericht zitierten Funkspruchs des an Bord befindlichen Boarding Teams wohl etwas knapp: „Also er liegt auf, ja, jetzt komplett. Also er biegt sich auch ganz schön!“

Notschlepper NORDIC

Eine der schon früh propagierten Hauptursachen für das Scheitern des Notschleppeinsatzes wird, ungeachtet seiner achtjährigen Einsatzzeit und der vielen Einsatzjahre seiner Vorgängerin OCEANIC, auch im Unfallbericht in einer vermeintlichen baulichen Unzulänglichkeit des Notschleppers NORDIC gesehen. Demnach reiche die den vom Bundesverkehrsministerium herausgegebenen Richtlinien entsprechende „Abwinschfläche für Hubschrauberversetzungen“ nicht aus, bei starken Schiffsbewegungen das Boarding Team gefahrlos aufzuwinschen. Zudem fehle dem Schiff eine zweifelsfrei erkennbare Beschriftung oder sonstige Kennzeichnung als im hoheitlichen Auftrag agierendes Fahrzeug, wie es in anderen europäischen Ländern bei von privaten Reedereien gecharterten Notschleppern praktiziert würde.

Aus Sicht der SDN entspinnt sich hier teilweise eine Scheindebatte. Befasst sich der BSU-Bericht zum „Aufwinschen“ doch nur mit dieser einen Antwortmöglichkeit – es liege an dem fehlenden Hubschrauberdeck auf der NORDIC. Dass in den vielen Jahren zuvor, in denen die NORDIC (tunlichst nicht publizierte) Einsätze fuhr – ganz zu schweigen von der OCEANIC zuvor oder allen anderen Notschleppern – dieses Problem scheinbar nicht bestand, wirft dann doch einige zweifelnde Fragen auf, insbesondere zur Unabhängigkeit der BSU bei Ermittlungen im eigenen Hause (BMVI/Referat WS 22).

Dass es seitens des bunten Straußes administrativer und rechtlicher Zuständigkeiten Probleme gibt, verbindliche Anweisungen zur Herzustellung einer Notschleppverbindung zu erteilen, trägt sicher auch nicht zur Beruhigung der Küstenanrainer bei. Und dass im Falle der GLORY AMSTERDAM dem Notschlepper NORDIC die zusätzliche Belastung der Einsatzleitung vor Ort (Koordinieren und Protokollieren) als On-Scene-Coordinator (OSC) übertragen wurde, erscheint ob der hohen Belastung unter der die NORDIC während des Einsatzes stand auch nicht wirklich verständlich. Zumindest mit Eintreffen der MELLUM hätte die OCR-Funktion an deren Kapitän übertragen werden können.

Aber es gibt ja auch schon erste Veränderungen und deren große Ankündigung: Das Einsatzkonzept der Notschlepper auf Nord- und Ostsee wurde zum 1. Januar 2019 optimiert! So sind zwei von drei Ostsee-Notschleppern, BALTIC und FAIRPLAY 25, nun auf Seeposition verlegt und die NORDIC liegt nun auf einer zentralen Position in der inneren Deutschen Bucht. Und wie steht es mit einer Kennzeichnung als im hoheitlichen Auftrag agierendes Fahrzeug? Die Entscheidung dafür liegt beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)!

Boarding Team

Der Einsatz eines „Boarding Teams“ zur qualifiziert seemännischen Unterstützung eines Havaristen wird im Unfallbericht positiv gesehen. Er geht sogar so weit, dass die Strandung der GLORY AMSTERDAM mit einem rechtzeitigen Eintreffen des Teams hätte wohl verhindert werden können. Allerdings fiel der BSU auf, dass der Informationsaustausch zwischen Boarding Team und NORDIC durch einen fehlenden Funkfrequenz-Standard und Geräte mit zu geringer Reichweite erschwert war. Zudem habe es bei dem später hinzugezogenen Team an einer nötigen Einweisung in die aktuelle Situation gemangelt. Zur Vermeidung von Verständnisschwierigkeiten solle der Begriff „Boarding Team“, der überwiegend für militärische und militärähnliche Kommandoeinheiten verwendet werde, in einen Namen umgewandelt werden, der den Einsatz mit gemeinnützigem Ziel und im staatlichen Auftrag verdeutlicht.

Die SDN stimmt dieser Einschätzung weitestgehend zu. Dass es fortan neben den beiden bisherigen Boarding Teams noch ein – zusätzliches – landgestütztes Team am Flughafen Nordholz/Niedersachen für Nord- und Ostsee gibt, begrüßt die SDN ebenfalls. Und wenn eine Namensänderung hilft, auch nur ein Missverständnis zu vermeiden, gebe es sicherlich auch dagegen nichts einzuwenden. Ebenso sollte eine technisch höchstwertige Kommunikations-Ausstattung selbstverständlich dazu gehören.

Mehrzweckschiff und Notfallschlepper MELLUM

Ab spätem Mittag war auch das Mehrzweckschiff MELLUM am Ort der Havarie. Allerdings vermochte das Schiff nicht aktiv in den Notschlepper-Einsatz zu gehen, da sein Kapitän die Besatzung nicht einer zu großen Gefährdung auf dem niedrigen und mit zu geringer Freibordhöhe versehenen Arbeitsdeck seines Schiffes aussetzen wollte. Gerade bei hohen Seen drohe eine daraus resultierende zu große, geradezu lebensgefährliche, Gefährdung seiner eigenen Besatzung. Stattdessen leistete die MELLUM durch Einschaltung in den Funkverkehr zwischen der NORDIC, der GLORY AMSTERDAM, der Vkz und dem Boarding Team koordinierende Dienste.

Aus Sicht der SDN bleibt da eigentlich nur ein beherzter Dank an den Kapitän des Mehrzweckschiffes MELLUM für die umsichtige Einschätzung der Möglichkeiten seines Schiffes. Von Seiten seines Arbeitgebers WSV/BMVI wurde das Mehrzweckschiff-Konzept immer als Ideallösung für den Notfalleinsatz propagiert. Doch hoffentlich kommen die beiden anstehenden Neubauten diesem Anspruch wirklich näher.

Hubschrauber

Glaubt man den frühen Einlassungen der Leitung des HK, ist eigentlich die NORDIC durch ihre Bauweise und private Trägerschaft schuld am Stranden der GLORY AMSTERDAM. Das sehen laut Unfallbericht selbst die Piloten der Bundespolizei nicht so. Es gelte bei einer solchen Art von Einsatz immer der Grundsatz „so tief wie möglich und so hoch wie nötig“. Dabei seien aufgrund der bis zum Einsatztag gemachten Erfahrungen die baulichen Gegebenheiten im Bereich der Windenbetriebsfläche der NORDIC zwar als anspruchsvoll und unter „normalen“ Bedingungen ausreichend und in gleicher Weise nutzbar wie die Winschflächen auf den Mehrzweckschiffen der WSV (NEUWERK, MELLUM). Als einsatzverhindernd sei sie jedoch nicht zu beurteilen, wenn auch unter Sicherheitsaspekten als nicht optimal. Zudem sei eine pauschale Aussage über die generelle Geeignetheit einer Windenbetriebsfläche auf einem Schiff grundsätzlich nicht möglich. Allerdings habe die Hubschrauberbesatzung nicht damit gerechnet, dass sich die NORDIC unter den vorherrschenden Seegangsverhältnissen derart stark bewegen würde. Eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der NORDIC hätte es mir Ausnahme einer Übung am 14. April 2014 und eine am 7. April 2017 bis dato nicht gegeben.

Aus Sicht der SDN stellen sich hierzu doch noch einige Fragen: Warum wurden ausschließlich Bundespolizei-Helikopter eingesetzt? Der BSU-Bericht geht da nicht in die Tiefe. Die BSU-Gutachter reagierten auf entsprechende Fragen schnell mit einem Hinweis auf die hohe fliegerische Qualität der Piloten und einem pauschalen Hinweis, dass es auch kein anderer Hubschrauber unter Wahrung der Verantwortlichkeit hätte schaffen können. Angefragt wurde damals weder die Bundesmarine noch WIKING.

Havariekommando

Einmal mehr zeigt sich nun auch in einem Bericht des BSU das verworrene Zusammenwirken verantwortlicher Stellen in einem maritimen Notfall vor der deutschen Küste. Das HK soll zwar im Falle komplexer Schadenslagen einerseits alle Maßnahmen des maritimen Notfallmanagements koordinieren, verfügt aber andererseits auf Grund seiner besonderen rechtlichen Stellung als gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer über keine eigenen Führungs- und Einsatzmittel. Vielmehr ist es dafür auf die in eigener Zuständigkeit und Verantwortung handelnden Stellen in der Bundes- und den entsprechenden Landesverwaltungen angewiesen. Das bedeutet, dass das HK auch im Falle einer Übernahme der Einsatzleitung formaljuristisch keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Einsatzkräften hat. Bei Schadenslagen, wie der der GLORY AMSTERDAM, müssten nach geltender Rechtslage notwendige schifffahrtspolizeiliche Maßnahmen vom HK oder dem OSC über die zuständige Verkehrszentrale (Vkz) oder den Kapitän eines Mehrzweckschiffes an die Schiffsführung eines Havaristen gerichtet werden.

Und es ist noch schlimmer! Das HK erhält seine Informationen im Krisenfall ausschließlich telefonisch oder via Fax oder E-Mail und kann auch selbst nur mit Hilfe dieser Medien kommunizieren. Damit noch nicht genug: Nicht nur fehlt es dem HK an direkter Funkkommunikation zwischen den am Ort der Havarie handelnden Akteuren, sondern es hat auch keine Möglichkeit die Lage des Havaristen verlässlich in Echtzeit zu beobachten und einzuschätzen.„Das HK bzw. der Havariestab haben im neuen Maritimen Sicherheitszentrum (MSZ) keinen unmittelbaren Zugriff auf AIS-Daten und Radarbilder,“ erklärt der BSU-Bericht eindeutig. Als Tatsache wird darin festgestellt, dass diese identifizierten Defizite der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des HK bei dem Havariegeschehen GLORY AMSTERDAM den Einsatzverlauf negativ beeinflusst und verkompliziert haben. Sie hätten sich nachteilig auf die Bewältigung der Krisensituation wie auch zur Bildung von Missverständnissen und Informationsverlusten ausgewirkt, da das HK immer wieder von objektiv fehlerhaften Annahmen ausgegangen sei.

Und was fällt der SDN dazu noch ein? Eigentlich nur eines: Braucht in Anbetracht dieser Wirrnis noch irgend jemand ein weiteres Argument zugunsten eines eindeutig zuständigen behördlichen Ansprechpartners für Schiffsführungen, insbesondere die eines Havaristen, wie es eine gemeinsame Küstenwache sein könnte?

Forderungen der SDN und mit ihr der Küstenkommunen

Aber in jedem Fall lassen sich immer wieder schöne Worte finden, wie die von Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMVI, zur Optimierung des Einsatzkonzeptes der Notschlepper auf Nord- und Ostsee zum 1. Januar 2019: „Wir investieren weiter in die maritime Sicherheit auf Nord- und Ostsee. Die Sicherheitsempfehlungen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung sind dafür unverzichtbare Wegweiser. Das Maritime Sicherheitszentrum ist bereits international Vorbild für die Koordinierung der maritimen Einsätze und mit den Neuerungen zum Jahresbeginn 2019 tragen wir dazu bei, die Notfalleinsätze auf See noch effektiver zu machen.“

Aber was davon kommt wirklich real an der Küste an? Ist die staatlicherseits höchst gelobte Stelle zur Bewältigung komplexer Schadenslagen auf See und an der Küste, das so genannte Havariekommando, denn für seine Aufgabe bestens ausgestattet mit Material, Technik und Personal? Nein, ist die SDN überzeugt, wie es sich zur Havarie der GLORY AMSTERDAM aller deutlichst gezeigt habe. Als „Kommando“ war das HK ja noch nicht einmal in der Lage direkt mit den am Geschehen Beteiligten zeitnah zu reden, den Havarieablauf aktuell zu beobachten oder gar einen eigenen Beobachter (OSC) an den Ort der Havarie zu schicken. Geschweige denn ist es formal mit einer echten „Kommando“-Gewalt ausgestattet. Dafür braucht es eine Verkehrszentrale oder den Kapitän eines Mehrzweckschifes. Die sind allerdings schon einmal ein Jahr und länger (siehe NEUWERK) außer Dienst und werden noch nicht einmal zur Sturmzeit durch einen anderen Schlepper vertreten.

Aber auch die Verständigung und das Verständnis mit- und untereinander scheint nicht nur zwischen einer der deutschen Dienststellen und Havarist ein Mangelthema zu sein, sondern ebenso zwischen den vielzähligen deutschen Beteiligten. Bebilderte Handlungs-Anweisungen zur Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes als Havarist, die mehrsprachig mit in der Seefahrt am meisten vorkommenden Sprachen abgefasst sind und mit verschiedensten Kommunikationsmitteln übermittelt werden können, wären zumindest in Richtung Havarist schon einmal ein guter Anfang. Ein frühzeitiger Bordeinsatz eines Seelotsen hätte zudem das Kommunikationsproblem zwischen der GLORY AMSTERDAM und den Landstellen weitgehend aufheben können und damit die spätere Strandung möglicherweise verhindert. Das Verständigungs-Problem untereinander löst wohl am besten eine Reduzierung manchmal gegeneinander konkurrierender Stellen wie BMVI, GDWS, WSV, Vkz, MSZ, HAST und Notschlepper- wie auch Mehrzweckschiff-Kapitäne am besten auf – Bundes- und Landespolizeien, Zoll und Fischereiaufsicht gibt es da auch noch. Eine gemeinsame Küstenwache mit einheitlich und eindeutig gestaltetem Erscheinungsbild ihrer Schiffe, fachlich und rechtliche Zuständigkeit kurzen und klaren Strukturen und einer Stimme im Umgang mit Havaristen wäre dafür aus Sicht der SDN sicherlich sehr hilfreich.

Schon jetzt stellt sich aber die Frage nach einem zeitgemäßen und praxisgerechten „Fach- und Einsatzkonzept Notschleppen“ des Havariekommandos. Ein solches beschreibt die Maßnahmen, die bei einer Gefahr durch ein treibendes Schiff zur Abwehr eingeleitet werden. Alle in einem solchen Fachkonzept enthaltenen Informationen dienen dazu, das von den Zuständigen vorgesehene Handeln allen an der Abwendung einer Havarie und deren Folgen Beteiligten zugänglich zu machen. Dadurch wird allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, sich vor Eintreten einer Havarie auf die Abwendung vorzubereiten und die Zusammenarbeit zu erleichtern. Somit spricht alles dafür, die betroffenen Kommunen der Küste, deren Kreise Katastrophenschutzbehörden sind, in ein solches Fachkonzept einzubinden, zumal sie, wenn „draußen“ alles schiefläuft, in Aktion treten müssen. Aber was im Umgang mit dem Katastrophenschutz Gang und Gäbe ist, sind in Sachen HK, laut Ferlemann, „sicherheitsrelevante interne Handlungsanweisungen nicht zur Veröffentlichung bestimmt“. Wer wann und auf welcher Rechtsgrundlage diese „Sicherheitsrelevanz“ getroffen bzw. erteilt hat, scheint bis jetzt auch nicht mitteilungswürdig.

Was allerdings immer wieder sichtbar wird, ist die Angst der Küste vor dem nächsten Sturm, bei dem wieder einmal ein zu schwach motorisiertes Schiff mit einer seemännisch nicht ausreichend qualifizierten Besatzung in Havarie gerät – und die Schiffshülle der Belastung letztlich nicht standhält. Der bunte Blumenstrauß „Küstenschutz“ hilft ihnen dabei ganz sicher nicht. Und ein Bundesverkehrsministerium für dessen Spitze Wasser aus der Leitung kommt und Auto – vielleicht noch Flugzeug – von nahezu ausschließlicher Bedeutung sind, hilft da noch weniger. Vielleicht wäre einmal ein Minister oder eine Ministerin aus dem Norden schon ein Anfang.

Der Küste bleibt jedenfalls auch 20 Jahre nach der PALLAS-Havarie das sichere Gefühl, weiterhin durch von Menschen geschaffene Umstände hoch gefährdet zu sein!

Der Beitrag als PDF-Dokument: 19-03-15 SDN_Pressemeldung GLORY AMSTERDAM lange Fassung

Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,

SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.

– Pressestelle –

Peter Andryszak

pressestelle@sdn-web.de

0172-4363439 (in dringenden Fällen)

www.sdn-web.de

 

Abkürzungsverzeichnis

AIS: Automatic Identification System

ARGE Küstenschutz:

Bft: Skala zur Klassifikation der Windgeschwindigkeit von 0 (Windstille) bis 12 (Orkan)

BMI: Bundesministerium des Innern

BMVI: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

BSU: Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung

DWD: Deutscher Wetterdienst

GDWS: Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

GLZ-See: Gemeinsames Lagezentrum See

HAST: Havariestab des HK

HK: Havariekommando

IMO: Internationale Weltschifffahrtsorganisation

MLZ: Maritimes Lagezentrum des Havariekommandos

MSZ: Maritimes Sicherheitszentrum

OSC: On-Scene-Coordinator

SDN: Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V

VDR: Voyage Data Recorder

Vkz: Verkehrszentrale German Bight Traffic

WSP: Wasserschutzpolizei

WSV: Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes

Die Lehren aus PALLAS „2“

  • Die Lehren aus PALLAS „2“ (4693 Anschläge Haupttext)
    • Die SDN schaut auch noch intensiv hin, wenn die Schlagzeilen längst erloschen sind!

 

Husum/Oldenburg. Nach einer längeren Erarbeitungszeit hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) ihn in der vergangenen Woche vorgelegt, den 192 Seiten umfassenden Unfallbericht zum schweren Seeunfall des Massengutfrachters GLORY AMSTERDAM am 29. Oktober 2017. Dabei verdriftete das Schiff über zwölf Stunden hinweg und strandete vor Langeoog. Der Tide, dem weichen Sand sowie dem Doppelboden im Tankbereich ist zu verdanken, dass keine größeren Umweltschäden entstanden.

„Im Namen der Kreise und Kommunen an der Küste spreche ich den Einsatzkräften vor Ort höchste Anerkennung aus. Sie haben ihren teils gefährlichen Einsatz mit Kompetenz, Einsatzwillen und praktizierter Verantwortung für Leib und Leben der Beteiligten durchgeführt“, erklärt der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN), der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen. Als kommunaler Umweltverband vertritt die SDN die Interessen von rund 200 Kommunen, Landkreisen, Instituten, Vereinen, Verbänden und Einzelmitgliedern entlang der Küste.

Allerdings benennt der BSU-Bericht Harrsen zufolge einen deutlichen Verbesserungsbedarf im Küsten- und Notfallschutz. Schließlich sei es dem verantwortlichen Havariekommando im Verlauf von insgesamt 12,5 Stunden nicht gelungen, erfolgreich auf eine keineswegs ungewöhnliche Situation zu reagieren, deren erhebliches Gefahrenpotenzial frühzeitig erkannt worden war.

Harrsen interessiert, welche Lehren aus der Havarie gezogen werden. Ist das Havariekommando, die staatlicherseits stets hoch gelobte Stelle zur Bewältigung komplexer Schadenslagen auf See und an der Küste, bestens mit Material, Technik und Personal ausgestattet? „Nein“, stellt Harrsen fest: Das „Kommando“ sei nicht einmal in der Lage gewesen, zeitnah direkt mit den am Geschehen Beteiligten zu reden, den Havarieablauf aktuell zu beobachten oder gar einen eigenen Beobachter auf den Havaristen zu schicken. Es sei auch nicht mit einer echten Kommando-Gewalt ausgestattet: Hierfür müsse es sich der örtlich zuständigen Verkehrszentrale oder des Kapitäns eines Mehrzweckschiffes bedienen.

Dem Notschleppkonzept des Bundes zufolge muss innerhalb von zwei Stunden ein Notschlepper bei einem Havaristen eintreffen. Harrsen unterstreicht, dass die Besatzung der NORDIC diese sinnvolle Vorgabe erfüllt hat. Es stelle sich aber die Frage, welche Maßnahmen das Havariekommando in seinem geheim gehaltenen „Fach- und Einsatzkonzept Notschleppen“ vorsieht. Ein solches Konzept müsse die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr beschreiben, die ergriffen werden, wenn ein Schiff führerlos auf See treibt. Die Zusammenarbeit würde erleichtert, wenn alle Beteiligten sich schon vor Eintreten einer Havarie sachgerecht vorbereiten könnten.

„Deshalb müssen die Kommunen und die Kreise, die ja Katastrophenschutzbehörden sind, in ein solches Fachkonzept eingebunden sein. Denn wenn auf See alles schiefläuft, müssen sie ohnehin in Aktion treten“, erklärt Landrat Harrsen – beißt aber im Bundesverkehrsministerium auf Granit: Staatssekretär Enak Ferlemann schrieb der SDN, „sicherheitsrelevante interne Handlungsanweisungen“ seien „nicht zur Veröffentlichung bestimmt“. Harrsen jedoch gibt nicht auf: Eine Information an die Kreise und Kommunen stelle schließlich keine Veröffentlichung dar.

Auch die Verständigung und das Verständnis mit- und untereinander scheine nicht nur im Verhältnis zu dem Havaristen GLORY AMSTERDAM ein Mangelthema zu sein, sondern ebenso zwischen den vielen deutschen Beteiligten. Bebilderte, mehrsprachige Handlungs-Anweisungen für den Havaristen zur Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes, die mit verschiedensten Kommunikationsmitteln übermittelt werden können, wären der SDN zufolge ein guter Anfang.

Ein weiterer Knackpunkt: Obwohl Lotsen als nautische Fachleute darauf trainiert sind, schwierige Inhalte auch bei Sprachproblemen zu vermitteln, werden sie vom Havariekommando praktisch nie hinzugezogen – für Dieter Harrsen ein leichtsinniges Verhalten zu Lasten der Küste.

Das Verständigungs-Problem untereinander wäre aus Sicht der SDN am besten zu lösen, wenn die rund 70 Schiffe, die mit unterschiedlichsten Aufgaben im Auftrag deutscher Behörden auf der Nordsee unterwegs sind, im Ernstfall in einer gemeinsamen Küstenwache zusammengefasst werden würden. „Wir brauchen klare Strukturen und kurze Befehlswege. Zwar könnte auch eine Deutsche Küstenwache keine Havarie verhindern, aber aufgrund ihrer schlanken Struktur könnte sie schneller und effizienter reagieren und das Risiko einer Strandung erheblich minimieren“, ist sich Harrsen sicher.

Der Küste bleibe jedenfalls auch 20 Jahre nach der PALLAS-Havarie das ungute Gefühl, immer noch nicht wirklich vor von Menschen geschaffenen Gefahren geschützt zu sein.

 

Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,

SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.

– Pressestelle –

Peter Andryszak

pressestelle@sdn-web.de

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Der Beitrag als PDF-Dokument: 19-03-15 SDN_Pressemeldung GLORY AMSTERDAM

Folgerungen nach Havarie der »Glory Amsterdam«

Dies ist eine gemeinsame Presseinformation des Nds. Innenministeriums, des Nds. Umweltministeriums, der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.  sowie der Landkreise Friesland und Wittmund

Die Folgerungen aus der Havarie der »Glory Amsterdam« sowie anderer Großgefahrenlagen der vergangenen Monate waren Gegenstand eines Gespräches zwischen der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN), den zuständigen Ministerien sowie den Landkreisen Wittmund und Friesland.

Hintergrund war die heftige Kritik insbesondere der beiden Landkreise sowie der SDN an dem Umgang mit der Havarie der »Glory Amsterdam« und die damals angemahnte Verbesserung in der Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Kommunen. Seinerzeit wurde das Treffen im Grundsatz schon vereinbart, und heute (16.1.2019) wurde der Sachstand besprochen.

Die Teilnehmer betonten die Bedeutung einer guten Kommunikation sowie einer rechtzeitigen Einbindung der Landkreise durch das Havariekommando. Das Innen- und das Umweltministerium unterstützen die Konsequenzen, die das Havariekommando aus der Havarie der »Glory Amsterdam« ziehen muss. Sie haben auch die landesseitigen Meldewege überprüft und optimiert.

Hans von Wecheln, SDN, sowie die beiden Landräte forderten Redundanzen bei etwaigem Ausfall von Rettungsmitteln, Abstimmung der jeweiligen Einsatzpläne und verstärkte Übungen der Beteiligten ein. Die Ministerien sicherten zu, diese Forderungen im Kreis des Kuratoriums mit dem Bund, den anderen Küstenländern und dem Havariekommando zu besprechen.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass alles getan werden müsse, um das hohe Schutzniveau an der niedersächsischen Küste  fortlaufend zu verbessern.

Nach dem Gespräch über die Aufarbeitung der Havarie der Glory Amsterdam; v.l.n.r.: Stephan Manke, Staatssekretär Nds. Innenministerium, Holger Heymann, Landrat Landkreis Wittmund, Sven Ambrosy, Landrat Landkreis Friesland, Hans von Wecheln, Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V., Frank Doods, Staatssekretär Nds. Umweltministerium

 

 

Schiffssicherheit auf Nord- und Ostsee nicht vernachlässigen!

Notschleppkonzept beibehalten / »Deutsche Küstenwache« bleibt das Ziel

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O) Der zwanzigste Jahrestag der Havarie des Holzfrachters »Pallas« vor der Nordseeinsel Amrum ist für die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) erneut ein Anlass, die Bundes- und Landtagsabgeordneten der norddeutschen Küstenländer aufzufordern, das Thema Schiffssicherheit nicht zu vernachlässigen. Damals war 60 Seemeilen querab vom Nordseehafen Esbjerg ein Ladungsbrand auf dem Holzfrachter entstanden, und es gelang der Besatzung nicht, diesen unter Kontrolle zu bringen. Mehrere Abschleppversuche bei überwiegend schwersten Wetterverhältnissen bleiben erfolglos. Trotz ausgebrachtem Steuerbord-Anker vertrieb die Pallas, hatte am 29. Oktober 1998 gegen neun Uhr eine erste Grundberührung und kam in den folgenden Stunden südwestlich von Amrum fest. Mehrere durch die Reederei veranlasste Abbergversuche führten nicht zum Erfolg. Durch Austritt von Öl entstanden Gewässer- und Strandverunreinigungen.

»Nach der Aufarbeitung und Untersuchung durch das damalige Seeamt Kiel wurden Maßnahmen für mehr Sicherheit auf See ergriffen«, erläutert SDN-Vorstandssprecher Hans von Wecheln. In den vergangen Jahren wurde vieles – nicht zuletzt auf Forderung des Umweltverbandes – an den deutschen Küsten für mehr Sicherheit auf Nord- und Ostsee getan. So wurden als Ergebnis der Aufarbeitung der Pallas-Havarie unter anderem das Havariekommando in Cuxhaven als gemeinsame Koordinierungseinrichtung von Bund und Küstenländern eingerichtet sowie das vorhandene Notschleppkonzept überprüft und um Boardingteams erweitert. Zur Umsetzung des Konzeptes werden von der Bundesregierung besonders leistungsfähige, auch flachwassertaugliche Notfallschlepper vorgehalten. Die Erfahrungen aus den Havarien haben seitdem immer wieder die Fähigkeiten der beteiligten Einsatzkräfte bestätigt. 1999 wurde der ähnlich große Massengutfrachter Lucky Fortune, der ebenfalls ohne Ladung trotz ausgebrachter Anker auf Sylt zutrieb, bei noch schlechterem Wetter zwei Stunden vor der Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert – damals war der Motor ausgefallen.

»Insgesamt betrachtet, ist die Sicherheit der Seefahrt verbessert worden«, sagte von Wecheln, gleichwohl seien Havarien nie auszuschließen, wie die Havarie der »Glory Amsterdam« vor genau einem Jahr gezeigt hat. Dort war der unbeladene Frachter nach zwölf Stunden Drift durch die Deutsche Bucht trotz rechtzeitig vorhandener Schleppkapazität vor der Insel Langeoog gestrandet. Die Havarie sei zwar glimpflich verlaufen, aber damit könne man nicht immer rechnen, unterstreicht von Wecheln.

Die SDN betont, dass das Notschleppkonzept der Bundesregierung aus ihrer Sicht richtig und nach wie vor sinnvoll ist. Es habe sich bei der Havarie der »Glory Amsterdam« wieder einmal bewährt, weil innerhalb der vorgesehenen Zeit ein geeigneter, leistungsfähiger Notschlepper am Einsatzort war. Das Notschleppkonzept sieht vor, dass ein Notschlepper innerhalb von zwei Stunden bei einem Havaristen eintreffen soll, um ihn so lange zu halten und eine Strandung zu verhindern, bis kommerzielle Bergungsschlepper dann den Havaristen sicher zum Liegeplatz bringen.

Die Frage sei allerdings, wie das Havariekommando dieses Konzept bei »komplexen Schadenslagen« anwendet. Die SDN und insbesondere ihre Mitgliedskreise an der Nordseeküste, die bei Katastrophenlagen direkt betroffen sind, wollen wissen, welches Vorgehen das Havariekommando in seinen Einsatzkonzepten festgelegt hat, um bei verschiedenen Lagen entsprechend zu reagieren.

Auch sollte nach Meinung der SDN nach zwanzig Jahren seit der Pallas-Havarie eine Anpassung  der vorhandenen Sicherheitsstrukturen durchgeführt werden. Neben verbesserten technischen Einzelmaßnahmen sollte besonders die Organisation der verschiedenen Behörden und des Havariekommandos gestrafft werden. Der Verband fordert bereits seit Jahren, die seegehenden Bundes- und Landeskräfte in einer »Deutschen Küstenwache« mit schlanken Führungsstrukturen zusammenzufassen. Der Umweltverband hat im letzten Jahr zu diesem Thema ein Positionspapier an die Bundes- und Landtagsabgeordneten verschickt und wird hier weiterhin die Umsetzung einfordern.

Dieser Text im PDF-Format: 18-10-25 20 Jahre Pallas

Küstenkreise fordern Aufklärung über Einsatzkonzept des Havariekommandos

SDN fordert Maßnahmen vor der Wintersaison / Notschleppkonzept richtig

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Erneut hat sich die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gewendet, um ihn zu weiteren Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf Nord- und Ostsee aufzufordern. Nach Meinung des Umweltverbandes hat die Havarie der »Glory Amsterdam« vor einem Jahr vor der Küste der Nordseeinsel Langeoog aufgezeigt, dass einige Maßnahmen bereits vor der Veröffentlichung des offiziellen Untersuchungsberichtes durch die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung durchgeführt werden sollten.

»Unsere Fachleute«, so schreibt der Vorsitzende der SDN, Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, »haben aufgrund ihrer Kenntnisse der Abläufe Vorschläge erarbeitet, die es möglichst zügig umzusetzen gilt«. Dass die »Glory Amsterdam« trotz bereitstehender Schlepperhilfe strandete, sei auf drei Hauptgründe zurückzuführen: auf mangelnde Kommunikation zwischen der Schiffsführung des Havaristen und der Einsatzleitung, auf die mangelnde Durchsetzung der angeordneten Notschlepphilfe und auf die mangelnde Ausbildung der Seemannschaft des Havaristen.

Die Havarie sei zwar glimpflich verlaufen, aber damit könne man nicht immer rechnen, unterstreicht Harrsen.

Nach Auffassung der SDN muss ein zeitgemäßes staatliches maritimes Unfallmanagement in den Einsatzkonzepten und Verfahrensanweisungen Maßnahmen vorsehen, um bei Verständigungsproblemen mit dem Havaristen frühzeitig die Kommunikation zu verbessern, etwa durch das Absetzen eines Lotsen oder eines On-Scene-Coordinators des Cuxhavener Havariekommandos auf dem Havaristen. Werde ein Notschlepper eingesetzt, müssten rechtzeitig Einsatzkräfte per Hubschrauber auf dem Havaristen abgesetzt werden können, die eine Notschleppverbindung herstellen; diese Fachkräfte müssten Einsatz- oder zumindest umfangreiche Übungserfahrung besitzen. Sollte ein Havarist die angebotene Notschlepphilfe ablehnen, sei frühzeitig eine entsprechende schifffahrtspolizeiliche Anordnung zu erteilen und etwa durch das Absetzen von Vollzugskräften auch durchzusetzen. Bei der Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes sei der Havarist über das geplante Vorgehen zu informieren, beispielsweise durch Übersendung von bebilderten, mehrsprachigen Handlungsanweisungen über In-MarSat-Fax oder E-Mail.

Die SDN unterstreicht, dass das Notschleppkonzept der Bundesregierung aus ihrer Sicht richtig und nach wie vor sinnvoll ist. Es habe sich bei der Havarie der »Glory Amsterdam« wieder einmal bewährt, weil innerhalb der vorgesehenen Zeit ein geeigneter, leistungsfähiger Notschlepper am Einsatzort war. »Wir teilen daher die Kritik anderer nicht und möchten Sie ermuntern, das Konzept zu belassen«, schreibt die SDN dem Minister.

Die Frage sei allerdings, wie das Havariekommando dieses Konzept bei »komplexen Schadenslagen« anwendet. Die SDN und insbesondere ihre Mitgliedskreise an der Nordseeküste, die bei Katastrophenlagen direkt betroffen sind, wollen wissen, welches Vorgehen das Havariekommando in seinen Einsatzkonzepten festgelegt hat, um bei verschiedenen Lagen entsprechend zu reagieren.

Zum Beispiel gehe es darum, welche taktisch-strategischen Maßnahmen in diesen Einsatzkonzepten bei unbotmäßigen Schiffsführungen von Havaristen vorgesehen sind. Schließlich sei der von der Bundesregierung bereitgestellte Notschlepper »Nordic« bereits am frühen Morgen beim Havaristen »Glory Amsterdam« einsatzbereit vor Ort gewesen; die schifffahrtspolizeiliche Anordnung zur Herstellung einer Schleppverbindung erfolgte aber nach Kenntnis der SDN erst rund vier Stunden später. Daher teile die SDN auch die Kritik des Leiters des Havariekommandos an diesem bewährten Notschlepper nicht, die er am 6. Februar 2018 im Unterausschuss »Häfen und Schifffahrt« im niedersächsischen Landtag vortrug.

Abschließend bittet die SDN Minister Scheuer, ihre Vorschläge zeitnah, das heißt vor der Veröffentlichung des Berichtes der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, umzusetzen, damit bereits jetzt – vor Beginn der Herbst- und Wintersturmlagen – die Gefahrenabwehr auf Nord- und Ostsee verbessert wird.

Dieser Text als PDF-Datei: 18-09-11 Küstenkreise fordern Aufklärung über Einsatzkonzept

Strandung der »Glory Amsterdam«: SDN fordert Prüfung des Einsatzkonzeptes des Havariekommandos

Vor zwei Jahren eröffnete der Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees, nach der Mitgliederversammlung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) eine Ausstellung mit dem Titel »Damit eine Havarie nicht zur Katastrophe wird« im Nationalpark-Haus in Varel-Dangast. Damals dachte wohl niemand daran, dass diese Thematik zwei Jahre später am gleichen Ort erneut in einer Mitgliederversammlung der SDN diskutiert werden würde.

Zu Beginn der Veranstaltung am 23. Mai 2018 schilderte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies die Versuche der Einsatzkräfte, die Strandung des Massengutfrachters »Glory Amsterdam« vor der ostfriesischen Insel Langeoog zu verhindern. Er zeigte sich erleichtert, dass keine Umweltschäden entstanden waren und die Bergung nach mehreren gescheiterten Versuchen erfolgreich beendet wurde. Eine gewisse Unzufriedenheit mit den Einsatzabläufen des Havariekommandos war jedoch auch dem Minister anzumerken, zumal die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren kräftig in die Sicherheit auf See investiert hat. Daher werde die niedersächsische Regierung die seitens des Havariekommandos vorgeschlagenen elf Verbesserungsmaßnahmen prüfen, bewerten und dann, soweit sinnvoll, gemeinsam mit den Partnern von Bund und Ländern umsetzen. Im zweiten Teil seiner Rede erläuterte Lies die vielfältigen Maßnahmen der Landesregierung für einen verbesserten Küstenschutz.

SDN-Vorstandssprecher Hans von Wecheln war sich mit dem Minister einig, dass zukünftige Havarien wesentlich effektiver bekämpft werden müssen. Er forderte, das Einsatzkonzept des Havariekommandos den Küstenkreisen vorzulegen: Hier müsse geklärt werden, warum eine so hohe zeitliche Verzögerung entstanden sei und die Strandung nicht verhindert werden konnte. Schließlich sei es nicht hinzunehmen, dass es fast 20 Jahre nach der Strandung der »Pallas« vor der Insel Amrum heute noch möglich sei, ein treibendes Schiff nicht innerhalb von zwölf Stunden mit einer sichernden Schleppverbindung zu versehen.

Die Vorschläge des  Havariekommandos bewertet die SDN kritisch. Der Umweltverband fordert vielmehr den sofortigen Einsatz eines Lotsen oder eines sogenannten On-Scene-Commanders, der den Kapitän auf einem Havaristen über die Maßnahmen der Einsatzkräfte informiert und bei der Umsetzung unterstützt. So könnten Kommunikationsprobleme vermieden werden.

Nach einigen Regularien stand die Neuwahl des SDN-Vorstandes auf der Agenda. Einstimmig wählten die anwesenden Mitglieder den nordfriesischen Landrat Dieter Harrsen erneut zum ersten Vorsitzer der SDN. Der zweite Vorsitzer – der Bürgermeister der Stadt Varel, Gerd-Christian Wagner –, sowie Schatzmeister Manfred Hoffmann und Schriftführer Hans-Martin Slopianka wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Im erweiterten Vorstand gab es Neuerungen: Erstmals wurden der Jurist Jan-Hinnerk Faida aus Varel und der Schatzmeister des Nautischen Vereins Nordfriesland, Peter Martinen, gewählt. Wiedergewählt wurden Landrat Sven Ambrosy (Kreis Friesland), der Bürgermeister der Stadt Norderney, Frank Ulrichs, Jörg-Peter Frerichs (ehemaliger Leiter des Planungs- und Umweltamtes der Stadt Varel), Uwe Jepsen (Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen), Karl Petersen (Fachmann für Küstenschutztechnik), Marcus Rudolph (Fachgebietsleiter Wasserwirtschaft, Landkreis Cuxhaven) und der Sylter Manfred Uekermann (Vorsitzender der Insel und Halligkonferenz).

Dieser Text als PDF-Datei: 18-06-13 Strandung der »Glory Amsterdam« – SDN fordert Prüfung des Einsatzkonzeptes des Havariekommandos

Zweiter Offener Brief zur Havarie der »Glory Amsterdam« am 29. Oktober vor Langeoog

An das

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Herrn Minister

Christian Schmidt

Invalidenstraße 44

10115 Berlin

 

Offener Brief zur Havarie des Frachters »Glory Amsterdam« am 29. Oktober vor Langeoog

Sehr geehrter Herr Minister,

Ihr Herr Staatsekretär hat auf mein Schreiben vom 18.12.2017 mit Schreiben vom 5.1.2018 reagiert, ohne eine einzige meiner zehn Fragen, von denen einige ausdrücklich in Spiegelstrichen gefasst waren, zu beantworten. Das Schreiben Ihres Herrn Staatssekretärs enthält nur eine Aussage: Unter der Einsatzleitung des Havariekommandos sei bei der Havarie der »Glory Amsterdam« hervorragende Arbeit geleistet worden.

Dass »nach jeder Einsatzlage« »der Einsatz aller Kräfte intern überprüft« wird, »um etwaige Probleme beim nächsten Einsatz zu vermeiden«, ist für uns selbstverständlich. Dass der schwere Seeunfall der »Glory Amsterdam« »zurzeit von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung und der Wasserschutzpolizei (leider in nicht öffentlicher Verhandlung) untersucht« wird, ist uns ebenfalls bekannt. Das vom für die »Maritime Notfallvorsorge« zuständigen Fachreferat WS 22 erstellte und durch den Parlamentarischen Staatssekretär in Ihrem Auftrag an uns versandte Standard-Antwortschreiben vom 5.1.2018 lässt nicht nur nicht unsere Fragen unbeantwortet, sondern verstärkt unsere Sorge um die Sicherheit unserer Küste.

Wenn ein Havarist zehn Stunden durch deutsche Küstengewässer getrieben und schließlich gestrandet ist, dann kann Ihr Haus doch nicht allen Ernstes von einer hervorragenden Arbeit sprechen. Sollte das wirklich der Beurteilungsmaßstab Ihres Hauses sein, dann bewahre uns Gott vor dramatischeren Ereignissen.

Dass es nicht zum Verlust von Menschenleben oder zu Umweltschäden gekommen ist, war reines Glück, weil die Wetterbedingungen zwar schwierig, aber nicht extrem waren, die »Glory Amsterdam« keine Ladung hatte und zudem über eine Doppelhülle bei den Brennstofftanks verfügt. Dass insbesondere die Besatzung des Notschleppers »Nordic« in schwerem Wetter in der Flachwasserzone mit heftigen Grundseen bis an die Grenze ihrer Einsatz- und Leistungsfähigkeit gegangen ist, um die Strandung der »Glory Amsterdam« zu verhindern, haben wir mit großem Respekt verfolgt und danken diesen Seeleuten für ihre hervorragende, unverzichtbare Arbeit. Die trotz der Bemühungen der Besatzungen der Notschlepper »Nordic« und »Mellum«, der Boarding-Teams Nordsee und Ostsee, der beteiligten Bundespolizei-Hubschrauber, der Beschäftigten in der Verkehrszentrale und im Havariekommando nicht verhinderte Strandung ist der Anlass für unseren »Offenen Brief«. Hervorragende Arbeit haben nach der Strandung die holländischen Berger geleistet. Diese hervorragende Arbeit war allein Sache der Berger, die das Havariekommando sich nicht zurechnen kann.

Ich habe volles Verständnis, wenn Ihr Herr Staatssekretär derzeit nicht alle Fragen beantworten konnte – aber als Antwort in einem Standardschreiben Nebelkerzen zu werfen, ist an Missachtung gegenüber der Küstenbevölkerung nicht zu überbieten. Wir, die Küstenbevölkerung, haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie und ob die staatlichen Sicherheitssysteme greifen. Denn wir sind mit unserer Natur und unserer Wirtschaft die Leidtragenden, wenn es zu einer Umweltkatastrophe kommt. Daher haben wir als Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, die für rund 200 Küstenkommunen,
Landkreise, Naturschutzvereine, Institute, Verbände und Einzelmitglieder spricht, das Recht und auch die Pflicht, Fragen nach den Ursachen der Strandung zu stellen – und den Anspruch, dass diese Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden.

Nach Auffassung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e. V.  muss ein zeitgemäßes staatliches maritimes Unfallmanagement in den Einsatzkonzepten und Verfahrensanweisungen Maßnahmen vorsehen, um

  • bei Verständigungsproblemen mit dem Havaristen die Kommunikation zu verbessern, z. B. durch das Absetzen eines Lotsen oder eines HK-On-Scene-Coordinators,
  • bei Einsatz eines Notschleppers rechtzeitig Einsatzkräfte zur Herstellung einer Notschleppverbindung auf dem Havaristen absetzen zu können, z. B. durch die Alarmierung der Boarding-Teams Nordsee und Ostsee,
  • bei witterungsbedingten Problemen beim Aufwinschen des Boarding-Teams durch einen
    Hubschrauber den Einsatz eines solchen Teams auf dem Havaristen möglich zu machen,
    z. B. durch die Verlegung in windgeschütztere Gewässer,
  • bei Weigerung eines Havaristen eine schifffahrtspolizeiliche Anordnung zur Annahme von Notschlepphilfe durchzusetzen, z. B. durch das Absetzen von Vollzugskräften,
  • bei der Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes den Havaristen über das geplante Vorgehen zu informieren, z. B. durch Übersendung von bebilderten, mehrsprachigen Handlungsanweisungen über InMarSat-Fax oder E-Mail.

Sehr geehrter Herr Minister, wir erwarten von Ihnen erneut, dass Sie die Fragen aus unserem
Schreiben vom 18.12.2017 – unabhängig vom Abschluss der Ermittlungen und von der Veröffentlichung des Berichtes der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung – zeitnah beantworten oder uns mitteilen, welche erforderlichen fachlichen und politischen Konsequenzen Ihr Ministerium ziehen wird, falls diese Fragen nicht zeitnah beantwortet werden können.

Aufgrund der erheblichen Bedeutung dieses Falles und der unbefriedigenden Beantwortung unserer Fragen wurde auch dieses Schreiben als »offener Brief« verfasst, den wir mit Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleiten werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Harrsen
Vorsitzer der SDN

Das Schreiben im PDF-Format: 18-01-24 Havarie der Glory Amsterdam zweites Schreiben an Minister Schmidt

Offener Brief zur Havarie des Frachters »Glory Amsterdam« am 29. Oktober vor Langeoog

An das

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Herrn Minister

Christian Schmidt

Invalidenstraße 44

10115 Berlin

 

Offener Brief zur Havarie des Frachters »Glory Amsterdam« am 29. Oktober vor Langeoog

Sehr geehrter Herr Minister,

die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e. V. ist ein überregionaler Dachverband, der 1973 ins Leben gerufen wurde, um Kommunen, Gebietskörperschaften, Vereinen und anderen Organisationen als Sprachrohr zu dienen. Heute vertritt die SDN rund 200 Kommunen, Landkreise, Naturschutzvereine, Institute, Verbände und Einzelmitglieder. Unser Ziel ist es, die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen. Wir sehen dieses Gebiet aber auch als Wirtschafts- und Lebensraum des Menschen an, der gesichert und gestaltet werden muss.

Als vor 19 Jahren der brennende Holzfrachter »Pallas« vor der Nordseeinsel Amrum strandete, waren wir in großer Sorge. Trotz des Einsatzes von Hubschraubern und mehreren Schleppschiffen konnte diese Strandung nicht verhindert werden.

In den darauffolgenden Jahren wurde – nicht zuletzt aufgrund von Forderungen unseres Umweltverbandes – vieles für mehr Sicherheit an den deutschen Küsten von Nord- und Ostsee getan. So wurden als Ergebnis der Aufarbeitung der »Pallas«-Havarie unter anderem das Havariekommandos in Cuxhaven als gemeinsame Koordinierungseinrichtung von Bund und Küstenländern eingerichtet sowie das vorhandene Notschleppkonzept überprüft und unter anderem um sogenannte »Boardingteams« erweitert. Zur Umsetzung des Konzeptes werden von der Bundesregierung besonders leistungsfähige, auch flachwassertaugliche Notfallschlepper vorgehalten.

Durch die Strandung des Frachters »Glory Amsterdam« am 29. Oktober vor der Insel Langeoog sind wir sehr beunruhigt und fordern eine zügige Aufklärung der Frage, warum sie nicht verhindert werden konnte. Wir fordern dringend eine Antwort, welches Glied der Rettungskette versagt hat, so dass durch das Einsatzkonzept des Havariekommandos bei keinesfalls extremen Wetterbedingungen das Ziel des Notschleppkonzeptes der Bundesregierung, die Verhinderung der Strandung eines havarierten Schiffes, nicht erreicht wurde.

Die Erfahrungen mit anderen Havarien haben nach der »Pallas«-Havarie immer wieder die Fähigkeiten der eingesetzten Notschlepper und ihrer Besatzungen bestätigt. So wurde etwa

  • 1999 der Massengutfrachter »Lucky Fortune«, der ebenfalls ohne Ladung trotz ausgebrachter Anker mit ausgefallenem Motor auf Sylt zutrieb, bei Orkan zwei Stunden vor der Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert,
  • 2011 das Containerschiff »Maersk Jennings«, das nach einem Maschinenausfall vor der ostfriesischen Küste trieb, bei schwerem Sturm vor einer Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert,
  • 2015 der unbeladene Tanker »Silver Carla«, der westlich Helgoland einen Maschinenausfall hatte und auf das niedersächsische Wattenmeer zutrieb, bei schwerem Sturm über mehrere Tage vor einer Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert.

Nach den uns vorliegenden Informationen, die unter anderem auf Presseberichten, Zeitungsartikeln und Pressemitteilungen des Havariekommandos beruhen, war der Notschlepper »Nordic« bereits um 8:10 Uhr innerhalb der im Notschleppkonzept vorgesehenen Zeit rechtzeitig einsatzbereit bei der »Glory Amsterdam« eingetroffen, um eine Notschleppverbindung herzustellen. Nach eigenen Angaben hatte das Havariekommando die Gesamteinsatzleitung um 9:45 Uhr, neun Stunden vor der Strandung gegen 18:45 Uhr, übernommen. Für uns stellt sich die Frage, warum erst vier Stunden später, nach Presseberichten nach 12:30 Uhr, mit dem Herstellen einer Notschleppverbindung begonnen wurde.

Ebenso ist es für uns verwunderlich, dass das Aufwinschen des Boarding-Teams Nordsee vom Notschlepper »Nordic« durch einen Hubschraubers der Bundespolizei erfolglos blieb. Sowohl bei der Besatzung des Notschleppers »Nordic« als auch bei den Besatzungen der Hubschrauber der Bundespolizei handelt es sich nach unserer Kenntnis um exzellent ausgebildete, hochmotivierte Seeleute und Luftfahrzeugführer.

Nach Medienberichten begründet das Havariekommando die erfolglosen Aufwinschversuche mit der schlechten Wetterlage, obwohl an diesem Tag in der Deutschen Bucht ohne Einschränkungen mehrfach Lotsen von anderen, zivilen Hubschraubern versetzt wurden. Diese Hubschrauber der Firma Wiking Helikopter, die von Wilhelmshaven-Mariensiel aus im Auftrag Ihres Ministeriums den Lotsenversetzdienst durchführen, stehen bei Havarien zusätzlich zu den Hubschraubern der Marine und der Bundespolizei für Einsätze des Havariekommandos zur Verfügung.

Sollte tatsächlich die Wettersituation beim Havaristen zu schlecht gewesen sein, hätte unseres Erachtens eine Aufnahme des Boarding-Teams durch den Hubschrauber in windgeschützteren Gewässern, zum Beispiel in der Jade im Bereich »Minsener Oog«, erfolgen können. Diese Maßnahme wurde nicht durchgeführt. Stattdessen wurde mit hohem Zeitaufwand das Boarding-Team Ostsee von Warnemünde aus auf die »Glory Amsterdam« gebracht.

Daher fragen wir Sie, welche Maßnahmen in den Einsatzkonzepten und Verfahrensanweisungen des Havariekommandos vorgesehen sind, um

  • bei Verständigungsproblemen mit dem Havaristen die Kommunikation zu verbessern, z. B. durch das Absetzen eines Lotsen oder eines HK-On-Scene-Coordinators,
  • bei Einsatz eines Notschleppers rechtzeitig Einsatzkräfte zur Herstellung einer Notschleppverbindung auf dem Havaristen absetzen zu können, z. B. durch die Alarmierung der Boarding-Teams Nordsee und Ostsee,
  • bei witterungsbedingten Problemen beim Aufwinschen des Boarding-Teams durch einen Hubschrauber den Einsatz eines solchen Teams auf dem Havaristen möglich zu machen, z. B. durch die Verlegung in windgeschütztere Gewässer,
  • bei Weigerung eines Havaristen eine schifffahrtspolizeiliche Anordnung zur Annahme von Notschlepphilfe durchzusetzen, z. B. durch das Absetzen von Vollzugskräften
  • bei der Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes den Havaristen über das geplante Vorgehen zu informieren, z. B. durch Übersendung von bebilderten, mehrsprachigen Handlungsanweisungen über InMarSat-Fax oder E-Mail.

Sehr geehrter Herr Minister, wir erwarten von Ihnen, dass Sie diese Fragen zeitnah, unabhängig vom Abschluss der Ermittlungen und von der Veröffentlichung des Berichtes der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, beantworten oder uns mitteilen, welche erforderlichen fachlichen und politischen Konsequenzen Ihr Ministerium ziehen wird, falls diese Fragen nicht zeitnah beantwortet werden können.

Aufgrund der erheblichen Bedeutung dieses Falles wurde dieses Schreiben als »offener Brief« verfasst, den wir mit Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleiten werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Harrsen
Vorsitzer der SDN

Das Schreiben im PDF-Format: 17-12-18 Havarie der Glory Amsterdam Schreiben an Minister Schmidt

SDN erkennt erheblichen Aufklärungsbedarf bei Havarie

Notschleppkonzept bisher bewährt / Welches Glied in der Rettungskette hat versagt?

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) »Auf solch ein Jubiläumsgeschenk hätten wir gerne verzichtet«, sagte der Vorstandssprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN, Hans von Wecheln, anlässlich der Strandung des Massengutfrachters »Glory Amsterdam« am vergangenen Sonntag vor der Nordseeinsel Langeoog. Genau 19 Jahren zuvor war an diesem Tag der brennende, von seiner Besatzung verlassene Holzfrachter Pallas nach gescheiterten Bergungs-Versuchen vor der nordfriesischen Insel Amrum gestrandet.

Die aktuelle Havarie vor der ostfriesischen Küste beunruhigt den kommunalen Umweltverband: in den vergangen neunzehn Jahren wurde vieles – nicht zuletzt auf Forderung des Umweltverbands – an den deutschen Küsten für mehr Sicherheit auf Nord- und Ostsee getan. So wurden als Ergebnis der Aufarbeitung der Pallas-Havarie unter anderem das Havariekommando in Cuxhaven als gemeinsame Koordinierungseinrichtung von Bund und Küstenländern eingerichtet sowie das vorhandene Notschleppkonzept überprüft und um Boardingteams erweitert. Zur Umsetzung des Konzeptes werden von der Bundesregierung besonders leistungsfähige, auch flachwassertaugliche Notfallschlepper vorgehalten. Die Erfahrungen aus den Havarien haben seitdem immer wieder die Fähigkeiten der beteiligten Einsatzkräfte bestätigt. So wurde 1999 der ähnlich große Massengutfrachter Lucky Fortune, der ebenfalls ohne Ladung trotz ausgebrachter Anker auf Sylt zutrieb, bei noch schlechterem Wetter zwei Stunden vor der Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert – damals war der Motor ausgefallen.

Für den Umweltverband stellt sich daher die Frage, welches Glied dieser mehrmals bewährten Rettungskette versagt hat, und er sieht erheblichen Aufklärungsbedarf, warum mehrfach Schleppverbindungen nicht gehalten haben.

Nach Ende der Bergung durch die niederländischen Experten muss unverzüglich und zeitnah geklärt werden, welche Schwachstellen zu dieser Strandung geführt haben, fordert die SDN. »Voreilige Forderungen und Aktionismus sind jetzt nicht angebracht. Wir brauchen eine zügige Unfalluntersuchung, damit zeitnah anhand von Sachinformationen Konsequenzen aus dieser Strandung gezogen werden können«, mahnt SDN-Vorstandssprecher von Wecheln. Die SDN schließt sich daher dem niedersächsischen Umweltminister an, der als Ergebnis eines Informationsbesuchs im maritimen Lagezentrum nach der Bergung des gestrandeten Frachters eine genaue Analyse notwendiger Verschärfungen der Sicherheitsvorschriften im Schiffsverkehr gefordert hat.

Dieser Text im PDF-Format: 17-11-01 PM Glory Amsterdam

Wrack der »Pallas« mahnt für angepasste Sicherheitsstrukturen

Vor 19 Jahren brennend gestrandet / Nordseeschützer wollen Küstenwache

(Husum/Cuxhaven/Varel i.O.) Vor neunzehn Jahren, am 29. Oktober 1998, lief der etwa 150 Meter lange brennende und führerlos treibende Holzfrachter knapp fünf Seemeilen südwestlich von Amrum auf eine Untiefe. Die Besatzung war bereits einige Tage vorher bei Orkan von mutigen Hubschrauberbesatzungen querab vor Esbjerg erfolgreich geborgen worden. Damit endeten vorerst die Bemühungen, das in dänischen Gewässern havarierte Frachtschiff in der tosenden See unter Kontrolle zu bringen. Auch heute noch sind die Reste des Wracks vor Amrum zu sehen.

Die gesamte Presse berichtet über die nachfolgende Bergung des brennenden Frachters und somit erhielt die Havarie bundesrepublikanisches Interesse, die anschließend von einer Expertenkommission, der sogenannte »Grobecker-Kommission«, untersucht wurde. Die Experten legten der Regierung am 16. Februar 2000 Empfehlungen für mehr Sicherheit auf See vor.

In der nachfolgenden politischen Debatte konnte sich die Politik aber nicht dazu entschließen, die wichtigsten Empfehlungen umzusetzen. Empfehlung 1 lautete: »… Die Expertenkommission empfiehlt deshalb, die mit Aufsichtsaufgaben betrauten, auf See tätigen Dienste des Bundes (BGS, Zoll, Fischereiaufsicht, WSV) zu einer Seewache mit gemeinsamer Flotte zusammenzufassen. Sämtliche Fahrzeuge sollten mit gemischtem Personal aus den beteiligten Dienststellen besetzt und darüber hinaus einheitlich gekennzeichnet werden.«

Statt der geforderten Bündelung aller Kräfte in einer »Seewache« wurde 2003 nur das Havariekommando in Cuxhaven eingesetzt. Eine monokratische Führung und allumfassende Kompetenz hätte jedoch eine Grundgesetzänderung erfordert, zu der die Politik damals nicht bereit war. Daher wurde dem Havariekommando auch im Rahmen der geltenden Gesetze keine allumfassende Zuständigkeit gegeben sondern es heißt: »… Im Einsatzfall alarmiert und führt der Leiter des Havariekommandos die Einsatzkräfte und -mittel, die ihm nach dieser oder anderen Vereinbarungen bereit gestellt worden sind. Er gibt die Ziele zur Bekämpfung der komplexen Schadenlage vor und erteilt den insoweit zuständigen Stellen entsprechende Aufträge …«

Nach Meinung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN kann diese Vertragssituation nicht die veränderten Rahmenbedingungen zukünftig wirkungsvoll abdecken. Heute können Havarien besser und effektiver bekämpft werden als früher, da mehr Einsatzmittel in behördlichen und privaten Sektoren bestehen. Die Gefährdungslage habe sich allerdings verändert und maritimen Strukturen müssen angepasst werden, erläutert ein Verbandssprecher. Veränderte Nutzungen der Meere durch größere Schiffseinheiten, Industrialisierung durch Offshore-Windfarmen, Baumaßnahmen in der Ostsee und eine insgesamt gewachsene Bedrohung durch mögliche terroristische Aktivitäten erforderten heute eine straffere Führungsorganisation von Bund und Küstenländern.

Die SDN hatte den Bundes- und Landtagspolitikern der norddeutschen Küstenländer bereits vor der Bundestagswahl ein Positionspapier zur Schaffung einer »Deutschen Küstenwache« überreicht. Es wurde von den Nautischen Vereinen zu Kiel, zu Lübeck, Neustadt, Rostock, Nordfriesland und Wilhelmshaven-Jade, der Insel- und Halligkonferenz und der SDN gemeinsam verfasst. Das Positionspapier soll die politische Diskussion zum Umbau der maritimen Sicherheitssysteme in Nord- und Ostsee erneuern, soll Schwachstellen aufzeigen, soll als Entscheidungshilfe für das weitere Vorgehen dienen und soll dazu beitragen, dass die »Deutsche Küstenwache«, mit einer effektiven Abteilung Havariebekämpfung, Wirklichkeit wird.

Dieser Text im PDF-Format: 17-10-27 PM 19 Jahre Pallas-Havarie