SDN sieht erheblichen Handlungsbedarf bei Meeresverschmutzungen durch Schiffsabfälle
Schon seit Jahren gelten europaweit verschärfte Auflagen für die Entsorgung von Schiffsabfällen. Trotzdem sind die Müllmengen in den Meeren nicht gesunken. Allein in die Nordsee gelangen immer noch rund 20.000 Tonnen Plastikmüll pro Jahr. Um die Gründe zu ermitteln, lud die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) zu einer Fachtagung am 17. November 2011 ein. Sie fand auf dem Museumsschiff »Cap San Diego« im Hamburger Hafen statt. Hochkarätige Fachleute waren dem Ruf der SDN gefolgt.
Der parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dankte der SDN für ihre Initiative. Obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren verbessert worden seien und das Entsorgungssystem für Schiffsabfälle in den Häfen grundsätzlich funktioniere, gebe es im Einzelfall noch Abstimmungsbedarf, stellte Ferlemann fest. So sollten Länder und Kommunen die Abfallgebühren in den Häfen vereinheitlichen.
Andreas Mai von den Bremer Häfen machte den Menschen als Schwachstelle des Systems aus: Zwar gebe es bei Kontrollen nur geringe Beanstandungen im Umgang mit Schiffsabfällen. Trotzdem sollten entsprechende Seminare in die Grundausbildung für Seeleute aufgenommen werden – und zwar weltweit. Mai plädierte für die Harmonisierung der verschiedenen rechtlichen Vorschriften: Es führe zu Verwirrung, wenn etwa Worte wie »häufig« oder »regelmäßig« in unterschiedlichen Verordnungen synonym verwendet werden.
»Im Vergleich zur Situation vor 20 Jahren funktioniert die Entsorgung besser, aber noch nicht gut«, resümierte Klaus Otto von der Hamburger Umweltbehörde. Er empfahl möglichst einfach und deutlich formulierte Regelungen, um die Gefahr von Missverständnissen auch bei Seeleuten aus anderen Erdteilen zu vermindern.
Hafenmeister Carl Ahrens von den Häfen an der schleswig-holsteinischen Westküste forderte Ausnahmeregelungen für die Küstenschifffahrt in allen Häfen: Manches kleine Schiff bringe es auf bis zu 180 Hafenanläufe pro Jahr. Werde stets eine pauschale Einheitsgebühr fällig, drohten die Betriebskosten ins Untragbare zu steigen.
Bis zu 75 Prozent des in den Meeren gefundenen Abfalls besteht aus Kunststoff, zitierte David Fleet von der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holstein wissenschaftliche Untersuchungen. In der südlichen Nordsee seien Schifffahrt und Fischerei als Hauptverursacher ausgemacht worden, doch könne dies in anderen Gegenden der Welt anders sein. »An manchen Stellen ist der Meeresboden mit Plastikmüll geradezu bedeckt«, sagte Fleet. Da diese Mengen sich kaum vollständig entfernen ließen, müsse vordringlich dafür gesorgt werden, dass kein weiterer Müll hinzukommt.
Kapitän Wolfgang Loy forderte die Schiffsleitungen auf, den Umgang mit Abfällen an Bord fortlaufend zu kontrollieren. Loy sah in den Häfen weltweit erheblichen Nachholbedarf bei der Entsorgungsfrage. So sei es außerhalb Deutschlands kaum möglich, alte Leuchtstoffröhren oder abgelaufene Medikamente im Hafen abzugeben. Auch sei es immer noch ganz offiziell erlaubt, außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone Lebensmittel, Dosen, Kartonagen oder Altglas einfach über Bord zu werfen. Dies gelte allerdings nicht für Nord- und Ostsee: Hier bestehe ein absolutes Verbot, Abfälle ins Meer zu »entsorgen«.
Mit verschiedenen Aktionen vor Ort bis hin nach Brüssel hat die SDN seit Jahrzehnten um verschärfte Auflagen für die Entsorgung von Schiffsabfällen gekämpft. Insbesondere das Demonstrationsvorhaben zum Aufbau einer Infrastruktur in den deutschen Seehäfen zur kostenlosen Ölententsorgung war von der SDN politisch gefordert worden.
»Fest steht, dass trotz der Anfangserfolge noch viel zu tun bleibt, um die Menge des Mülls in den Meeren zu reduzieren. Wir werden die Ergebnisse dieser Tagung in einer Dokumentation zusammenfassen und damit auf die mit dem Thema befassten Politiker, Behörden und Wissenschaftler zugehen«, erklärte der Vorsitzer der Schutzgemeinschaft, Dieter Harrsen. Auf diese Weise sei es der SDN in den vergangenen fast 40 Jahren immer wieder gelungen, Denk- und Entscheidungsprozesse auszulösen.
Text als PDF-Datei: PM 11-12-05 Handlungsbedarf bei Meeresverschmutzungen durch Schiffsabfälle